Künstliche Intelligenz verändert die Art und Weise, wie wir im Internet suchen und finden. Insbesondere KI-Antwortmaschinen wie Perplexity ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich. Denn sie liefern nicht nur Links, sondern konkrete Antworten auf Fragen. Doch sie funktionieren nicht perfekt. Außerdem sollte diskutiert werden, was passiert, wenn man diesen neuen KI-Suchmaschinen die Informationen vorenthält, die sie brauchen, um zu funktionieren.
Von Michael Förtsch
Wenn das Douglas Adams noch erlebt hätte! In der Roman- und Hörspielreihe Per Anhalter durch die Galaxis des 2001 verstorbenen Autors beschließt eine außerirdische und besonders wissbegierige Kultur, einen gigantischen Computer zu bauen. Einen Computer, der so mächtig ist, dass er alle anderen Rechenmaschinen des Universums verblassen lässt. Einen Computer, der nur ein Ziel hat. Er soll die Frage aller Fragen beantworten: die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Und nachdem er ziemlich lange überlegt hat – 7,5 Millionen Jahre, um genau zu sein – gibt er eine Antwort. Sie lautet: 42. Eine ziemlich konkrete Antwort. Das Problem ist nur. Worauf genau ist 42 eigentlich die Antwort? Denn so schlau die Außerirdischen auch waren, sie haben ihre Frage falsch gestellt. Denn ihre Frage war gar keine Frage, wie sie ziemlich verdutzt feststellen mussten.
Um jetzt eine Antwort auf die Frage zu finden, worauf 42 die Antwort sein soll, brauchen die Außerirdischen einen noch viel größeren, viel leistungsfähigeren, viel komplexeren Computer. Einen Computer, dessen Bestandteil das Leben selbst ist.
Heute erscheint diese Vorstellung gar nicht mehr so abwegig erscheint, denn Künstliche Intelligenz verändert gerade die Art und Weise, wie wir uns Wissen aneignen und im Internet nach Informationen suchen. Nach mehr als 20 Jahren bekommt Google als definitive Anlaufstelle erstmals ernsthafte Konkurrenz. Zum einen durch Chatbots wie ChatGPT, Claude, Pi und auch Googles eigenen Chatbot Gemini. Aber auch von Start-ups, die ganz bewusst antreten, um das Suchen und Finden neu zu erfinden – und damit Google zu entthronen.
Ganz vorne mit dabei ist Perplexity, ein Start-up aus San Francisco, das vor weniger als zwei Jahren von ehemaligen OpenAI- und Meta-Entwicklern gegründet wurde und unter anderem Jeff Bezos, Shopify-Gründer Tobias Lütke, Github-Chef Nat Friedman und Nvidia als Investoren gewinnen konnte. Innerhalb der Tech- und KI-Bubble ist Perplexity bereits ein Phänomen. Viele schreiben, die Plattform habe für sie Google und andere Suchmaschinen abgelöst. Sie soll fest in den ebenfalls gehypten KI-Assistenten Rabbit R1 integriert werden. Nicht wenige sind überzeugt, dass Perplexity noch in diesem Jahr den Status eines Unicorns – eines Start-ups mit einer Bewertung von einer Milliarde US-Dollar – erreichen oder ein milliardenschwerer Übernahmekandidat für Google, Apple, Microsoft oder Meta werden könnte. Auch weil Google zuletzt dabei schwächelte und strauchelte, die Qualität seiner Suchergebnisse zu verbessern, und das eigene KI-Produkt Gemini die Nutzer nicht gerade begeisterte.
Suche im Dialog
Die Grundidee hinter Perplexity ist einfach, aber raffiniert. Die Entwickler haben mit der Plattform eine Suchmaschine nach dem Vorbild von Google entwickelt, der jedoch eine Chat-Schnittstelle à la ChatGPT vorgeschaltet ist. Über diese kann der Nutzer in natürlicher Sprache mit der Suchmaschine kommunizieren. Wer eine konkrete Frage hat, kann sie einfach stellen, statt Suchbegriffe aneinanderzureihen. Perplexity liefert dann keine Liste von Links, die möglicherweise zu einer Quelle mit der Antwort auf die Frage führen, sondern eine konkrete Antwort in Textform. Je nach Komplexität kann es sich dabei um einen oder mehrere kurze Absätze handeln. In und über diesen Absätzen werden die konsultierten Quellen verlinkt – seien es klassische Medien wie Spiegel.de, Heise, 1E9 oder auch Social-Media-Plattformen wie Reddit und YouTube. Ist die Antwort nicht zufriedenstellend oder ergeben sich weitere Fragen, können diese als Nachfragen gestellt werden.
Im Dialog kann so das gewünschte Wissen erarbeitet werden, statt sich auf gut Glück durch die Quellen zu klicken, wo dann vielleicht erst die richtige Stelle gefunden werden muss. Wer nicht genau weiß, was er sucht oder sich nicht sicher ist, wie die eigene Frage eigentlich lautet, dem hilft der Copilot, ein digitaler Suchassistent, bei der Konkretisierung oder Erarbeitung. Sucht man, wie beispielsweise ich kürzlich, nach Informationen über einen südamerikanischen Stamm, dessen fantasievolle Kostüme womöglich als Inspiration für eine Szene im Filme Dune Part 2 gedient haben, fragt Perplexity nach. Zum Beispiel, um die mögliche Herkunftsregion dieses Stammes oder die Art der Kostüme einzugrenzen. Zusammen mit der KI wird dadurch die Recherche fokussiert – das ist durchaus unterhaltsam. Schließlich landet Perplexity bei den Selk’nam, einer heute ausgestorbenen Ethnie aus Feuerland – und damit bei der richtigen Antwort auf mein sehr vages Anliegen.
Fragt man Perplexity hingegen nach dem richtigen Ort für eine Party, grenzt es diese mit Nachfragen nach den Gästen, dem Anlass, dem Budget und anderen Faktoren ein. Bei der Suche nach einem Geburtstagsgeschenkt werden Alter, Geschlecht und Interessen abgeglichen. Dabei sind die Antworten nicht immer das eigentliche Ergebnis, sondern oft eher Anregungen, die aber dennoch beim eigenen Brainstorming weiterhelfen.
Die Suchmaschine ermöglicht es überdies auch, die Quellen zu definieren – zum Beispiel akademische Ressourcen, YouTube-Videos, Reddit oder das Mathematiksystem Wolfram Alpha. Das funktioniert erstaunlich gut. Wer Studien zu sehr speziellen Themen sucht, wird mit Perplexity durchaus besser fündig als mit Google. Wer ein Video oder eine Anleitung sucht, wie man zum Beispiel ein Kameraobjektiv aus sowjetischer Produktion zerlegt, um es von Glaspilzen zu befreien, bekommt ebenfalls Hilfe. Die einzelnen Suchanfragen werden – ganz nach dem Vorbild der ChatGPT-Gespräche – in einer Seitenleiste gespeichert. Dort können sie später wieder aufgerufen werden, um sie fortzusetzen. Sie können auch in Sammlungen sortiert werden – zum Beispiel für einzelne Projekte wie eine Reiseplanung oder eine Artikelrecherche.
Unter der Rubrik Discover findet sich zudem eine einfache Auflistung tagesaktueller Nachrichten, die vor allem Entwicklung aus dem Bereich von Wissenschaft, Technik und Popkultur aufführen. Es handelt sich um eine vereinfachte KI-Version von Google News, die aber auch als Demonstration der Technologie dient. Die zwischen fünf und acht Absätze langen, gut lesbaren Nachrichtentexte werden vollautomatisch aus bis zu acht verschiedenen Quellen im Internet zusammengetragen und zeigen, wie gut KI-basierte Nachrichtenaggregation bereits funktionieren kann.
Merkwürdige Fehler
Perplexity ist grundsätzlich kostenlos, bietet aber zahlenden Nutzern für 20 US-Dollar pro Monat oder 200 US-Dollar pro Jahr zusätzliche Optionen. Zum Beispiel den Suchassistenten, also die Möglichkeit, eigene Dateien wie PDFs, Bilder, Textdokumente und andere hochzuladen, um sie mit den Sprachmodellen zu analysieren und zu durchsuchen. Auch Bilder lassen sich im Pro-Modus generieren. Hinzu kommt die Möglichkeit, das KI-Modell auszuwählen, das der Suche und Analyse vorgeschaltet ist. Standardmäßig ist dies ein Modell von Perplexity selbst. Außerdem stehen ein experimentelles Model von Perplexity auf Basis von LLaMA 2, GPT-4-Turbo von OpenAI, Claude 3 von Anthropic und Mistral Large vom französischen Start-up Mistral zur Auswahl. Die Unterschiede bei englischsprachigen Suchen sind granular. In deutscher Sprache schneiden GPT-4-Turbo und Mistral Large am besten ab.
Das Sucherlebnis, das Perplexity bietet, ist wirklich erfrischend. Die Suche wirkt menschlicher, unmittelbarer. Perplexity ist eher wie ein Bibliothekar, der einen durch die Regale führt und auf eine Stelle in einem Buch verweist, wo Google einem nur die Regalnummer nennt, um dort selbst zu finden, wonach man sucht. Dies gilt insbesondere bei offenen und unkonkreten Fragen. Allerdings sind die Sucherlebnisse oder Antworten keineswegs perfekt. Wer die URL einer bestimmten Website sucht, erhält nicht die Adresse der Seite, sondern die Geschichte der Firma dahinter. Die Suche nach historischen Daten fällt abseits akademischer Text oft schwer. Hier bleibt Google mit Ressourcen wie Google Books derzeit ungeschlagen.
Auch lässt sich die KI-Suche leicht verwirren, wenn beispielsweise Personen über einen nur schmalen digitalen Fußabdruck verfügen oder mehrere Personen gleichen Namens existieren. Während Perplexity den QANT-Gründer Michael Förtsch und mich noch unterscheiden kann, verschmolz er einen befreundeten Journalisten und einen Comedian gleichen Namens zu einer Person. Erst auf Nachfrage korrigierte Perplexity, dass es sich um zwei verschiedene Personen handelt. Einer Bekannten wiederum dichtete er einen Tod während der Corona-Pandemie an.
Bei einem hochgeladenen PDF fasste die Suchmaschine bizarrerweise einen Text zusammen, der nichts mit dem Dokument zu tun hatte. Mehrfach blockierte das Moderationssystem Bilder und andere Dokumente aus unklaren Gründen. Laut dem Perplexity-Chef sei man sich der Fehler und Makel der Suchmaschine bewusst. Sie kämen vor und würden es wohl auch noch eine Weile tun. Denn das Team sei klein und Künstliche Intelligenz noch eine Technologie, die weit von der Perfektion entfernt sei.
Wollen wir Antwortmaschinen eigentlich?
Perplexity ist die derzeit am meisten beachtete KI-Antwortmaschine. Aber bei weitem nicht die einzige. Phind, You und Arc Search verfolgen praktisch das gleiche Modell wie Perplexity, sind aber weit vom Hype des Start-ups aus San Francisco entfernt. Wobei Phind immer wieder als ernstzunehmender Herausforderer gesehen wird, dessen Ergebnisse teilweise sogar als besser bewertet werden. Auch Microsofts Bing Chat beziehungsweise Copilot ist eine KI-Suchmaschine, auch wenn sie von vielen Nutzern nicht unbedingt immer so wahrgenommen und genutzt wird. Weitere solcher KI-Suchmaschinen werden folgen. Wohl nicht zuletzt von Google. Aber auch OpenAI soll an einer dedizierten Web-Suchmaschine arbeiten.
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Jetzt Mitglied werden!Es scheint sicher, dass immer mehr Künstliche Intelligenz in Suchmaschinen Einzug halten wird. Das Suchen und Finden wird sich dadurch gegenüber dem, was wir seit dem Start von Google gewohnt sind, verändern – sowohl zum Besseren als auch zum Schlechteren. Denn Künstliche Intelligenz hat nun einmal ihre Tücken. Das ist seit ChatGPT offensichtlich und hat sich seitdem immer wieder gezeigt. KI-Modelle können schwer vorhersehbar agieren. Sie können halluzinieren, Inhalte verwechseln und Geschichten erfinden – ob dieses grundlegende Problem behoben werden kann, ist unsicher. Googles Chatbot Gemini manipulierte Aufforderungen zur Bilderzeugung und verweigerte einfache Antworten auf selbst unkontroverse Fragen. Der Copilot von Bing sorgte erst kürzlich für Aufsehen, als er Nutzern den Selbstmord als Ausweg aus problematischen Lebenslagen nahelegte.
Eine weitere Herausforderung ist die Frage, wie und wer letztlich von KI-Suchmaschinen profitiert. Denn diese können aktuelle Fragen nur beantworten, wenn sie auf die Inhalte von Medien, sozialen Netzwerken und Plattformen wie YouTube zugreifen. Doch genau diese verschließen sich zunehmend den KI-Unternehmen, die ihre Texte, Bilder und Videos bislang ungefragt abgreifen und für das Training von KI-Modellen nutzen. KI-getriebene Suchmaschinen erscheinen so manchem Medienunternehmen als weiterer und parasitärer Übergriff. Traditionelle Suchmaschinen bieten im Tausch für Daten an, Besucher auf die eigene Website zu bringen. Aber KI-Antwortmaschinen… eher nicht.
Denn wenn eine Künstliche Intelligenz Inhalte für Nutzer zu einer konkreten und befriedigenden Antwort zusammenfasst, bleibt selten ein Grund, die Quelle zu besuchen, die sich über Werbung oder Abonnements refinanziert. Daher könnten in Zukunft nicht nur die Content Crawler von KI-Unternehmen von Zeitungs-, Social-Media- und Magazin-Websites abgewiesen werden, sondern möglicherweise auch diese neuen KI-Suchmaschinen wie Perplexity, Phind und Co. Damit würde sich deren Informationsreichweite, Antwortfähigkeit und damit Attraktivität verringern. Ein Dilemma. Eines, auf das wohl nur eine Künstliche Intelligenz die richtige Antwort finden kann. Hoffentlich heißt die nicht 42.
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