Welche Folgen hat der Klimawandel, wenn wir nichts dagegen tun? Wie können wir ihn bremsen? Und welchen Informationsquellen darüber kann man trauen? Antworten auf solche Fragen sollten auch Schulen vermitteln. Doch das klappt bisher nur mäßig. Das edukative Mixed-Reality-Game Rising Tide vom Wiener Studio Causa Creations will das ändern – und überzeugte mit seinem Konzept die Jury des New Realities Wettbewerbs 2022.
Von Wolfgang Kerler
„Jetzt oder nie.“ Mit diesem Zitat aus dem jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC startete Georg Hobmeier von Causa Creations seinen Pitch – und meinte damit die dramatischen Folgen der Klimakrise, die nur durch sofortiges Handeln verhindert werden könnten. Diese dürfte – trotz aller anderen Krisen – das Thema unserer Zeit sein.
Nur leider, so Georg Hobmeier, komme das in den Schulen nicht so richtig an. Erst kürzlich habe er in Wien diesen Satz aus einer Unterhaltung von Teenagern aufgeschnappt: „Bei den Fridays for Future Demos habe ich mehr über den Klimawandel gelernt als in der Schule.“ Aber warum ist das so? Den Schulen fehlten „die richtigen Werkzeuge“, meint der Gamedesigner, um dann die Lösung zu präsentieren: das Spiel Rising Tide, an dem sein Team und er gerade arbeiten.
„Spiele machen es [Schülerinnen und Schülern] leichter, sich solchen komplexen Themen zu nähern“, sagt er. „Sie erfordern ein großes Engagement, ermöglichen Learning by Doing, erfordern Problemlösungskompetenzen – und in unserem Fall auch Kommunikationsfähigkeiten. Vor allem aber machen sie Spaß.“
Gemeinsam die Folgen des Klimawandels abwenden
Zum dritten Mal suchten 1E9 und der XR HUB Bavaria beim New Realities Wettbewerb nach XR-Projekten, die die Welt ein bisschen besser machen. Fünf Teams wurden aus allen Bewerbungen ausgewählt, um beim Finale am 23. Juli 2022 im Rahmen des Festivals der Zukunft vor einer Fachjury zu pitchen: Die Storytelling-Expertin Astrid Kahmke, Leiterin des European Creators’ Lab und Gründerin von Yonders, Mariia Tintul, Head of Business Development beim Start-up-Accelerator Wise Guys, und der XR-Creator Tim Deussen vom Studio Deussen aus Berlin kürten dann den Sieger, der 1.000 Euro Preisgeld erhielt.
Bei Rising Tide können Schulklassen die Erde und ihre Weltmeere in Mixed Reality per Tablet ins Klassenzimmer holen – und durch ihre Entscheidungen dazu beitragen, die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden. Sie schlüpfen dabei, wie in einem Rollenspiel, in verschiedene Protagonistinnen: die des Industriellen, der Techno-Utopistin oder des Hashtag-Aktivisten.
Sie müssen mit den jeweils anderen Fraktionen interagieren und müssen sich darüber klar werden, dass deren Kommunikation nicht völlig neutral und objektiv ist. Dann erleben sie live mit, ob ihre Handlungen die Klimakrise abwenden konnten oder nicht. 2023 soll eine erste Pilotversion des Spiels in Klassenzimmer kommen.
Am Ende urteilte die Jury, dass Rising Tide von den fünf vorgestellten Projekten den größten Impact haben könnte, wie Astrid Kahmke erklärte. „Wir waren der Meinung, dass das Projekt wirklich einen positiven Einfluss auf eine gesellschaftliche Verbesserung haben könnte“, ergänzte Mariia Tintul. Und Tim Deussen betonte, wie wichtig es sei, mit Spielen und Formaten wie Rising Tide das Bildungssystem aufzumischen. „Denn es ist unheimlich wichtig, dass Kinder wieder Spaß an Bildung haben.“
Auch die anderen Finalisten überzeugten die Jury
Rising Tide war der Gewinner des Wettbewerbs, doch die Jury würdigte auch die herausragende Qualität der anderen vier Finalisten.
Vata-Avatar: Incarnating the Wind
Saraubh Indra von Ikshana stellte das vom FilmFernsehFonds Bayern geförderte und vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie wissenschaftlich begleitete Projekt Vata-Avatar: Incarnating the Wind vor. In der VR-Experience schlüpfen die Userinnen in die Rolle von Vögeln und begleiten diese bei ihren Flügen über die Welt, die – und das ist die Besonderheit – basierend auf echten Atmosphären- und Terraindaten animiert werden. Die enge Verbindung zwischen Tieren und Planet wird dadurch erlebbar.
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Jetzt Mitglied werden!FUTURELEAF.space
Elle Langer von pimento formate präsentierte die XR-Medienplattform FUTURELEAF.space, die es Usern durch die Bereitstellung einfacher Tools ermöglicht, eigene Augmented-Reality-Stories zu erstellen und zu teilen, die ohne App über den Smartphone-Browser erreicht werden können. Inhaltlich liegt ein Fokus dabei auf animierten 3D-Geschichten, die die Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen unterstützen, zum Beispiel indem sie Jugendliche über den Klimawandel aufklären.
Exohaptik
Robin Wenk von LightShape gab mit seinem Pitch Einblicke in das Forschungsprojekt Exohaptik, dessen Ziel es ist, ein Virtual-Reality-Schulungsprogramm für professionelle Pflegekräfte, aber auch für pflegende Angehörige zu entwickeln. In Virtual Reality – und später auch durch den damit verbundenen, gezielten Einsatz von Exoskeletten – werden die Userinnen geschult, welche Körperhaltungen und Arbeitsabläufe bei bestimmten Tätigkeiten besonders schonend für ihren Körper sind, vor allem für ihren Rücken.
Absurd Cities
Eitan Rieger von rieger design / hüro mobility begann seine Präsentation damit, dass er die Mobilitätsprobleme in Großstädten ansprach: verstopfte Straßen, überfüllte S-Bahnen, das Fahrrad als zuverlässigstes Fortbewegungsmittel. Bessere urbane Verkehrskonzepte soll das Projekt Absurd Cities möglich machen, indem es Menschen dazu einlädt, in einem XR-Space virtuell neue Mobilitätsmixe für ihre Städte entstehen zu lassen und auszuprobieren.
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Titelbild: Hans-Martin Kudlinski für 1E9
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