Wozu ist der menschliche Körper wirklich fähig, wenn alles erlaubt ist? Diese Frage stellen sich die Organisatoren und Geldgeber der Enhanced Games. Bei diesen Wettkämpfen ist Doping nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Das löst Kritik und Besorgnis aus. Doch die Erfinder der Enhanced Games haben große Ziele— langfristig sollen der Tod besiegt und Übermenschen geschaffen werden.
Von Michael Förtsch
Gerade erst haben die Olympische Spiele 2024 in Paris stattgefunden. Sie waren ein globales Ereignise. Millionen von Menschen verfolgten live in den Stadien und vor dem Fernseher, wie sich die besten Athletinnen und Athleten der Welt im sportlichen Wettkampf maßen. Die Leistungen, die sie erbrachten, waren – von wenigen medien- und meme-wirksamen Ausnahmen abgesehen – beeindruckend. Aber irgendwie auch konstant. Zwar wurden in Paris nicht weniger als 19 neue Weltrekorde aufgestellt. Dabei wurden die alten Rekorde jedoch meist nur um wenige Sekundenbruchteile oder winzige Distanzen gebrochen. Ein Großteil der Rekorde ist seit Jahren und teilweise Jahrzehnten unangetastet. Aus gutem Grund, wie Sportmediziner und Wissenschaftler sagen. Moderne Athleten gehen mit ihrem hochspezialisierten Training an die physischen und technischen Grenzen dessen, was der menschliche Körper maximal leisten kann. So wird es immer schwieriger, neue Maßstäbe zu setzen und Spitzenleistungen zu erzielen.
Oder vielleicht doch nicht?
„Die Olympischen Spiele in Paris waren wie immer ein beeindruckendes Schaufenster des Sports und des Engagements“, sagte Aron D’Souza zu 1E9. „Sie haben aber auch das anhaltende Spannungsfeld zwischen den traditionellen Werten des Sports und der immer wichtiger werdenden Rolle von Wissenschaft und Technologie bei der Leistungssteigerung aufgezeigt.“ Der aus Australien stammende, aber in London lebende Investor und Multimillionär will die Sportwelt im kommenden Jahr aufrütteln. Denn dann sollen erstmals die so genannten Enhanced Games stattfinden, ein den Olympischen Spielen vergleichbarer Wettbewerb, der Doping und andere leistungssteigernde Verfahren nicht verbietet, sondern sogar fördert.
„Während die Olympischen Spiele die natürliche Athletik feiern, werden sich die Enhanced Games auf wissenschaftliche Fortschritte konzentrieren, die die menschlichen Fähigkeiten auf sichere Weise noch weiter steigern können“, sagt D’Souza. Schon jetzt, so der Millionär, würden viele Athleten versuchen, ihre Leistung künstlich zu steigern – allerdings heimlich und aus Angst, als Betrüger entlarvt zu werden. Tatsächlich haben Studien und Umfragen immer wieder hohe Dopingraten ergeben. Für eine Studie von 2024 gaben zwischen 6,5 und 9,2 Prozent von 1.400 US-Athleten an, auf Doping zu setzen. Laut einer Studie von 2023 könnten bei bestimmten Sportveranstaltungen bis zu 45 Prozent der Teilnehmer auf leistungssteigernde Substanzen setzen.
Dem Olympischen Komitee und anderen Sportorganisationen wirft D’Souza deshalb Bigotterie vor. Es wäre unübersehbar, dass viele Sportlerinnen und Sportler auf leistungsstärkende Mittel setzen – und setzen wollen. Aber dennoch würde das genaue Gegenteil behauptet und propagiert. Als „heuchlerisch“ und „dysfunktional“ bezeichnete er die etablierten Organisationen. Bei den Enhanced Games hingegen sollen „Wissenschaft und Sport Hand in Hand gehen“ und die bisherige Definition, was es heißt, ein Athlet zu sein, in Frage gestellt werden.
Von der Droge bis zur Hightech-Prothese ist alles erlaubt
Das Konzept der Enhanced Games entstand vor etwa zwei Jahren. Wie Aron D’Souza sagt, kam ihm die Idee, als er erkannte, welche enormen Auswirkungen verschiedene Dopingverfahren und medizinische Therapien haben können. Dass die Grenzen für gut trainierte Athleten verschoben und auch Hindernisse für Sportler aus dem Weg geräumt werden können: „Ziel ist es, [mit den Enhanced Games] eine Plattform zu schaffen, auf der die Athleten mit voller Unterstützung der Wissenschaft die Grenzen des menschlichen Potenzials einreißen, anstatt gegen sie zu arbeiten.“ Doping und Leistungssteigerung sind daher bei den Enhanced Games nicht erlaubt, sondern erwünscht und integraler Bestandteil des Wettbewerbs. Nicht alles, aber fast alles soll bei diesen Spielen erlaubt sein.
Die Enhanced Games könnten eine bahnbrechende Möglichkeit für alternde Athleten sein, ihre Karriere zu verlängern oder sogar wiederzubeleben
Aron D’Souza
„Wir erwarten eine Reihe von Möglichkeiten zur Leistungssteigerung“, sagt Aron D’Souza. Dazu gehörten zuvorderst bereits von Behörden wie der FDA zugelassene Medikamente, die die Muskelregeneration und das Muskelwachstum fördern und die Sauerstoffaufnahme ins Blut maximieren. Manche Sportler könnten auch mit Prothesen antreten. Aber der Millionär glaubt, dass schnell auch cutting-edge technologies wie Gentherapien und biomechanische Verbesserungen zu sehen sein könnten. Dabei soll weitgehende Transparenz herrschen. Die Athleten müssten zwar nicht jedes Detail preisgeben, aber es müsse öffentlich gemacht werden, welche Methoden sie anwenden. Denn genau darum ginge es.
Wie Aron D’Souza betont, seien solche Leistungssteigerungen aber keineswegs Pflicht. Auch „natürliche Athleten“ seien willkommen. Ohnehin hofft der Millionär auf ein breit gefächertes Teilnehmerfeld. „Wir glauben an die körperliche Autonomie und das Recht auf Wettbewerb“, sagt er. Deshalb gebe es auch keine Altersgrenze. Wenn ein Athlet jenseits der 50 oder 60 antreten wolle, sei das natürlich möglich, wenn keine ernsthaften gesundheitlichen Risiken bestünden. „Die Enhanced Games könnten eine bahnbrechende Möglichkeit für alternde Athleten sein, ihre Karriere zu verlängern oder sogar wiederzubeleben“, argumentiert D’Souza.
Die Teilnehmer sollen zu Beginn in sechs Disziplinen antreten. „Der Schwerpunkt wird zunächst auf den öffentlichkeitswirksamen Spitzensportarten wie Leichtathletik – Track & Field –, Wassersport, Turnen, Kampfsportarten und Kraftsport liegen“, sagt D’Souza. Denn hier ließen sich die körperlichen Leistungen und auch die Auswirkungen von Leistungssteigerungen am deutlichsten zeigen und messen. Eher unkonventionelle oder experimentelle Disziplinen wie Breakdance würden dagegen nicht angeboten. Solche „bizarren Spektakel“, wie D’Souza es nennt, wolle man vermeiden. Ebenso wie Kontroversen um das Geschlecht der Athleten und Athletinnen. Geschlechterrollen wären irrelevant. Jeder würde basierend auf der chromosomalen Struktur – also XX oder XY – klassifiziert.
Eine Million für jeden Rekord
Die Enhanced Games sollen erstmals in der zweiten Jahreshälfte 2025 stattfinden. Die Finanzierung der Veranstaltung sei bereits gesichert. Aron D’Souza konnte unter anderem den einstigen PayPal-Gründer Peter Thiel und den Tech-Investor Christian Angermayer als Unterstützer gewinnen. Ihre Milliarden sollen garantieren, dass die Teilnehmer der Enhanced Games für ihre Leistungen entlohnt werden. Gebrochene Weltrekorde sollen mit einer Million US-Dollar vergütet werden. Das Interesse von Sportlern soll daher groß sein. „Tausende Athleten haben sich bisher bei uns gemeldet“, sagt D’Souza. Einige hätten Interesse signalisiert, andere praktisch schon zugesagt. Darunter der australische Olympiaschwimmer James Magnussen, der seine Teilnahme bereits öffentlich gemacht hat. Weitere Teilnehmer sollen bis Ende 2024 vorgestellt werden.
Tausende Athleten haben sich bisher bei uns gemeldet.
Aron D’Souza
Wo die Spiele stattfinden werden, ist noch nicht entschieden. Doch auch hier mangle es nicht an Interesse. Mehrere Städte aus aller Welt hätten sich bei den Organisatoren der Spiele gemeldet und sich bereiterklärt, Stadien, Unterkünfte für die Athleten und die nötige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Gespräche würden bereits geführt. „Es ist mir wichtig zu sagen, dass wir im Gegensatz zu anderen Sportveranstaltungen keine teure Infrastruktur und riesige Veranstaltungsorte benötigen“, sagt D’Souza. Die Enhanced Games sollen eine aufregende, aber dennoch schlanke und effizient durchführbare Veranstaltung sein.
Auch wie und wo die Enhanced Games verfolgt werden können, ist noch nicht entschieden. Doch es soll bereits Kandidaten geben. Das Team der Spiele verhandle sowohl mit etablierten Sendern und Medienunternehmen als auch mit Streaming-Plattformen – darunter Gerüchten zufolge Kick, Twitch und Elons Musks X, ehemals Twitter. „Auch wenn noch nichts bestätigt ist, sind wir von den Möglichkeiten begeistert“, sagt D’Souza. Fest stehe hingegen schon, dass es einen Dokumentarfilm rund um die Enhanced Games geben wird, der unter anderem von Ridley Scotts Produktionsfirma RSA mitverantwortet wird.
Sperren für Athleten?
Die Enhanced Games wecken aber nicht nur Faszination, sondern ernten auch viel Kritik. Denn der Einsatz medizinischer Wirkstoffe zur Leistungssteigerung ist riskant. Vor allem neue und wenig erforschte Substanzen können ungeahnte Folgen haben – auch langfristig. Sebastian Coe, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes, nannte die Enhanced Games deshalb schlicht „blödsinnig“. Kieren Perkins, Chef der australischen Sportkommission, warnte, dass „jemand sterben könnte“. Mehrere Athleten mahnen wiederum, dass die Enhanced Games zu einem medizinischen Wettrüsten führen könnten, das die noble Natur des sportlichen Wettkampfs pervertiere.
Mehrere Ärzte und Sportwissenschaftler appellieren an Sportler, sich nicht zu Versuchskaninchen zu machen, und rufen andere Mediziner auf, sich nicht an dem ethisch fragwürdigen Projekt zu beteiligen. Einzelne Sportverbände und das Internationale Olympische Komitee drohen Athleten, die an den Enhanced Games teilnehmen, sogar mit dem Ausschluss von klassischen Sportveranstaltungen. „Wenn jemand so dumm ist, da mitzumachen – und diese Person kommt aus der traditionellen, philosophischen Sportwelt – dann wird diese Person gesperrt“, sagt Sebastian Coe. „Und zwar für lange Zeit.“
Die Enhanced Games werden den Athleten das sicherste Umfeld bieten, um wirklich an ihre Grenzen zu gehen.
Aron D’Souza
Aron D’Souza sieht diese Reaktionen als Beleg dafür, dass er einen Nerv in der Sportwelt getroffen hat. Enhanced Games und legalem Doping gehört seiner Meinung nach die Zukunft. Gleichzeitig versichert er, die medizinischen Risiken sehr ernst zu nehmen. „Deshalb haben wir einen wissenschaftlichen Beirat und eine medizinische Kommission von Weltrang zusammengestellt“, unterstreicht er. Diese hätten Protokolle entwickelt, die die körperliche Gesundheit der Athleten garantieren sollen. „Die Enhanced Games werden den Athleten das sicherste Umfeld bieten, um wirklich an ihre Grenzen zu gehen“, so der Millionär. Unter anderem sollen ihre Vitalwerte lückenlos überwacht und aufgezeichnet werden und stets medizinisches Personal bereitstehen.
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Wenn es nach Aron D’Souza geht, werden die Enhanced Games – wenn sie denn wirklich stattfinden – nicht nur ein Sportereignis sein, sondern „der Beginn einer Bewegung“. Sie wären gewissermaßen ein Mittel zum Zweck. „Wir wollen sehen, wozu der menschliche Körper wirklich fähig ist, wenn er von den neuesten wissenschaftlichen Errungenschaften profitiert“, sagt der Australier. „Aber wir wollen auch die Wissenschaft voranbringen.“ Die Sportveranstaltung soll Daten und Erkenntnisse liefern, die der Weiterentwicklung von Medikamenten dienen, neue Therapien ermöglichen und Einsichten in den menschlichen Körper liefern können. Vor allem solche, die es erlauben, das Leben und die Gesundheit im Alter radikal zu verlängern.
Sowohl Aron D’Souza als auch sein milliardenschwerer Geldgeber Peter Thiel hoffen auf ein möglichst langes Leben. D’Souza ist überzeugt, dass das Altern keine biologische Notwendigkeit ist, sondern eine Krankheit, die behandelt und vielleicht sogar geheilt werden kann. Die Enhanced Games sollen einer der Bausteine sein, die das ermöglichen. „Wir schaffen damit eine wissenschaftliche, kulturelle und sportliche Bewegung, die die Menschheit sicher in eine neue Übermenschlichkeit führen wird“, sagt der Sportveranstalter. Die Enhanced Games sollen Sportler, Forscher, aber auch ganz normale Menschen inspirieren. Sie sollen beeindrucken und überzeugen, dass biologisch und medizinisch mehr möglich ist, als viele glauben.
„Wir stellen konventionelle Vorstellungen darüber in Frage, was es bedeutet, Mensch zu sein, und was wir erreichen können, wenn wir das Potenzial von Wissenschaft und Technologie voll ausschöpfen“, sagt D’Souza. „Es geht nicht nur darum, Rekorde zu brechen, sondern eine neue Ära der Innovation und Entdeckung einzuleiten, von der die gesamte Menschheit profitieren kann. Wir freuen uns darauf, die Welt an dieser Reise teilhaben zu lassen, und sind gespannt auf die Fortschritte, die sich daraus ergeben werden.“
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