Der Frühling ist da! Aber noch regnet es und es ist noch zu kühl für Biergarten, Partys und Feiern. Warum die Zeit also nicht einfach mit einem guten Buch verbringen? Wir hätten da einige Empfehlungen, die euch gut in den Sommer bringen.
Von Michael Förtsch
Nieselregen, feuchter Wind und sogar ein „Kälte-Ei“ droht uns noch. Erst dann soll das Wetter wirklich frühlingshaft werden. Genug gute Gründe also, um die vor Monaten gefassten Neujahrsvorsätze nochmal etwas aufzuschieben, drinnen zu bleiben und dort zu einem guten Buch zu greifen. Dabei muss es sich nicht um die typische Schlechtwetter-Lektüre wie einen Krimi oder einen leichten Roman handeln, der eh nach wenigen Wochen wieder vergessen ist. Stattdessen locken derzeit viele spannende, ungewöhnliche und intelligente Science-Fiction-Werke.
In den vergangenen Monaten sind sowohl von bekannten Namen als auch von vielversprechenden Debütautoren zahlreiche Romane erschienen. Darunter von Tom Rob Smith, der in Kälte einen ziemlich unterkühlten Erstkontakt der Menschheit mit Außerirdischen beschreibt. Alabine Rivers skizziert in The Awoken eine Zukunftswelt, in der Menschen aus der Vergangenheit alles andere als willkommen sind. In The Genius Plague von David Walton wird die Menschheit wiederum Opfer einer Infektion, die erstaunlich positive Nebeneffekte zeigt. Doch wir haben auch einige mehr oder minder bekannte Klassiker herausgesucht, die heute noch sehr lesenswert sind. Wie etwa Greg Bears Blutmusik, das bereits 1985 ein faszinierendes Szenario zeichnete, wie Mensch und Maschine eins werden könnten.
Das Gleismeer
Der Autor China Tom Miéville ist einer der Pioniere des Genres des New Weird, das Welten mit traumgleicher Logik und bizarren Szenerien und Geschehnissen zeichnet. Und bizarr ist die Welt in Das Gleismeer definitiv. Denn der Roman ist in einer Welt angesiedelt, die über und über mit Eisenbahnschienen überzogen ist, deren dichtes und sich stetig wandelndes Netz nur von vereinzelten Siedlungen gestört wird. Der junge Mediziner Sham heuert auf einem der Züge an, die über das Gleismeer rauschen.
Doch der Zug, auf dem Sham nun arbeitet, ist nicht da, um das Gleismeer zu erkunden oder die Siedlungen zu verbinden. Sein Kapitän Abacat Naphi hat eine ganz andere Aufgabe. Er hat es sich zur Mission gemacht, gleich Captain Ahab aus Moby Dick, die großen Monstren des Meeres zu jagen. In diesem Fall: Nacktmulle, Maulwürfe und Insekten von absurden Ausmaßen. Auf ihrer Hatz stößt die Besatzung des Zuges auf ein unmögliches Relikt: auf ein Foto, das ein einzelnes einsames Gleis zeigt – das Ende des Gleismeeres. Ein gelungener Abenteuerroman, der vor allem mit seiner kuriosen Welt einfängt.
Zeitflut
Es ist ein Bild, dessen Variationen wohl jeder in der Schule gesehen hat: Höhlenmenschen kauern auf dem Boden, haben Faustkeile in der Hand und weiden ein gerade erlegtes Tier aus. Es zeigt diese Menschen als tumbe Jäger. Ein Motiv, das immer wieder repliziert wird. Aber war das wirklich so? Genau das ist es, was die beiden Wissenschaftler Harv Leonel und Tara Mukherjee herausfinden wollen. Mittels Quantenrechnern und Gen-Analyse gelingt es ihnen, sich in der Zeit zurückzuversetzen und in die Körper der angeblich so primitiven Urahnen zu schlüpfen. Die erweisen sich als ganz anders als gedacht.
Wie Har erkennt, ist den Menschen schon vor Jahrtausenden bekannt, wie Ebbe und Flut funktionieren. Sie haben ein Gesellschaftssystem erdacht, das das Zusammenleben regelt, und sorgen sich um einen Lichtpunkt am Himmel, der immer größer wird. Aber Harv und Tara ist das nicht genug. Sie wollen noch weiter in der Zeit zurück… und dann wird es wild und geradezu fantastisch. Zeitflut von Wil McCarthy ist ein einfangendes Gedankenexperiment, das faszinierende Motive und Denkansätze erkundet, aber zum Ende hin leider einiges an Glaubwürdigkeit verspielt. Dennoch: lesenswert.
Die fetten Jahre
Der chinesische Staatskapitalismus hat gewonnen. Während der Westen eine dauerhafte Wirtschaftskrise erlebt, floriert China und hat begonnen, die ganze Welt aufzukaufen. Die großen Luxus- und Automarken gehören chinesischen Konglomeraten und selbst Starbucks ist im Jahr 2013 chinesisch und heißt nun Wang Wang. Nahezu die ganze Nation ist fröhlich und sorglos. Darunter auch Chen, ein erfolgreicher Schriftsteller. Aber irgendetwas stimmt nicht, wie er und einige weitere Bewohner nach und nach realisieren. Ein ganzer Monat scheint aus dem kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung und allen Aufzeichnungen verschwunden.
Zusammen mit der verbitterten Xiao Xi will Chen ermitteln, was passiert ist. Letztlich findet sich eine kleine Gruppe zusammen, die das Rätsel lösen will – und dafür zu den äußersten Mitteln greift. Sie wollen ein Mitglied der Kommunistischen Partei entführen, um die Wahrheit zu erfahren. Der Roman von Chan Koonchung ist eine Dystopie, die in einer Schein-Utopie angesiedelt ist. Scharfsinnig arbeitet Koonchung in Die Fetten Jahre das Repressionssystem, die Vetternwirtschaft und Zensur in China auf, wobei die fiktive Geschichte zuweilen etwas untergeht. Ein opulentes, aber nicht gerade leichtgewichtiges Werk.
The Genius Plague
Der junge Mykologe Paul Johns wandert tief in den Regenwald des Amazonas, um Pilze und Sporen zu studieren. Nur knapp entkommt er dabei der Attacke eines indigenen Stammes. Er scheint verschollen, taucht dann aber plötzlich wieder auf. Sein Bruder, der NSA-Analyst Neil, ist froh, aber auch besorgt. Denn nach seiner Rückkehr zeigt sich bei Paul eine schwerwiegende Infektion. Pilzsporen haben seine Lungen befallen. Als sich sein Zustand bessert, verändert sich der Mykologe zusehends. Er denkt schneller, ist fokussierter, er entwickelt ein nahezu perfektes Gedächtnis: Der Pilz macht ihn zum Genie.
Wie Paul und Neil schnell erkennen, sind die neugewonnen Fähigkeiten nicht ohne Preis. Und sie scheinen mit Vorgängen in Südamerika in Zusammenhang zu stehen, die die NSA insgeheim mit wachsender Sorge beobachtet. Im Untergrund des Kontinents scheint sich ein weit verzweigtes Netzwerk der Pilze auszubreiten. Ist es nur eine weitere Infektionskrankheit, die hier auszubrechen droht? Oder ist es eine stille Invasion? David Walton entwirft einen ebenso rasanten wie cineastisch erzählten Science-Fiction-Thriller, dessen Pandemie-Szenario zwar fantastisch, aber nicht einmal so unrealistisch wirkt.
Oxygen
Endlich scheint die Menschheit die Kurve zu kriegen. In Andreas Brandhorsts Oxygen geht der Ausbau von Solar- und Windkraft nach Jahren des Haderns und Zauderns endlich voran. Neue Speichertechnologien erlauben es, die regenerativen Energien lange vorzuhalten. Es werden Wälder aufgeforstet und verseuchte Landstriche gereinigt. Es sieht gut aus. Doch dann zeichnet sich eine neue Katastrophe ab. Meeresbiologin Laura Lombardi hält diese erst für einen Messfehler. Aber es ist wahr: Der Erde könnte der Sauerstoff ausgehen.
Wie die Forscherin feststellt, hat das Plankton in den Meeren seine Fähigkeit zur Photosynthese verloren. Doch für bis zu 70 Prozent des irdischen Sauerstoffs sind Phytoplankton und andere Meeresorganismen zuständig. Das dramatische Phänomen wird als „das Grau" bezeichnet. Eine Gruppe von Wissenschaftlern macht sich auf die Suche nach einer Lösung. Andere versuchen die Notlage jedoch zu instrumentalisieren und daraus Gewinn zu schlagen. Oxygen ist ein mitreißender Klima-Thriller, der von Brandhorst mit unzähligen Informationen vollgepackt wurde und auf verschiedenen Erzählebenen stattfindet. Clever, fesselnd und auch etwas erschreckend!
Kälte
Man könnte sich eine bessere Begrüßung vorstellen. Ende 2023 tauchen riesige Raumschiffe in der Atmosphäre der Erde auf. Die Besucher erklären, dass der Planet nun ihnen gehört. Verhandlungen oder Begründungen gibt es nicht. Jedoch wird der Menschheit eine Chance gegeben. Wer sich binnen 30 Tagen in die Antarktis retten kann, darf dort über- und weiterleben. Der Rest wird vernichtet, um Platz für die neuen Herrscher der Erde zu schaffen. Es beginnt ein chaotisches und verzweifeltes Wettrennen in die eisige Kälte, das keineswegs nach der Ankunft endet. Denn wie können die Tausende von Menschen, die es in die Antarktis geschafft haben, zusammen das Weiterbestehen der Menschheit sichern?
Der Kind-44-Autor Tom Rob Smith erforscht das finstere Szenario durch die Augen verschiedener Betroffener. Darunter sind eine junge Amerikanerin, die sich mit ihrem Geliebten in die Eiseskälte aufmacht, und ein israelischer Soldat, der zusammen mit einigen der besten Wissenschaftler und Denker in die Forschungsstation McMurdo entsendet wird, die sich binnen weniger Jahre zu einer ganzen Stadt entwickelt. Doch nicht nur das. Auch die Menschheit entwickelt sich weiter – mithilfe genetischer Experimente. Kälte ist ein packender Roman dessen zunächst simpel scheinende Prämisse sich zur drückend dystopischen Erzählung entwickelt, die ebenso fantastisch wie durchdacht erscheint – und nach einer Fortsetzung verlangt.
Eversion
Alles wiederholt sich in Alastair Reynolds’ Eversion. Zumindest für den Arzt Silas Coade. Der ist zunächst Mitglied der Crew eines Segelschiffs, das im 19. Jahrhundert auf die Suche nach einer Forschungsmission geschickt wird, die plötzlich verschwand. Außerdem ist er an Bord eines Zeppelins, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die Antarktis fliegt, um einen geheimnisvollen Bruch in der Eisschicht zu erkunden – und dort ein Relikt ausfindig zu machen. Und Coade ist dabei, als ein Raumschiff aufbricht, um einem außerirdischen Artefakt im All nachzujagen.
Der Arzt selbst wird sich immer mehr dieses merkwürdigen Umstandes bewusst. Vor allem da nicht nur er selbst immer wieder diese Reise zu durchleben scheint. Die Mannschaft ist ebenfalls stets dieselbe. Genau wie das Schiff, auch wenn die Technologie sich weiterentwickelt. Wie kann das sein? Eversion ist ein einfallsreiches Science-Fiction-Mysterium, das in den ersten Kapiteln an Jules Verne und in den letzten an Arthur C. Clarke und Philip K. Dick denken lässt – und seine geheimnisvolle Atmosphäre von Anfang bis Ende bewahren kann. Reynolds schafft es auf virtuose Weise, ein Jahrhunderte umspannendes Rätsel aufzubauen, das mehr als nur typische Science Fiction ist.
The Awoken
Alabine Rivers führt eigentlich ein gutes Leben. Sie ist erfolgreich im Job, ist verliebt, glaubt, politisch etwas bewegen zu können. Dann bekommt sie eine niederschlagende Diagnose: Sie leidet an einer schwer behandelbaren, ja mit Sicherheit tödlichen Krebserkrankung. Ihre einzige Überlebenschance: sich einfrieren lassen, bis irgendwann eine Therapie möglich ist. Tatsächlich erwacht Alabine plötzlich im Jahr 2121 – und wird prompt von Soldaten verfolgt, die sie töten wollen.
Wie Rivers erfahren muss, sind aus dem Kryoschlaf erweckte Menschen wie sie „Illegale“, die gejagt und getötet werden. Jedoch findet sie Anschluss bei einer Untergrundbewegung, die für die Rechte der Erweckten kämpft, von denen es Tausende gibt. Erst nach und nach schafft es Rivers, sich mit Folgen ihrer Entscheidungen auseinandersetzen – und der Gewissheit, dass ihre Welt und jeder, den sie kannte, verschwunden ist. Der Debütroman von Katelyn Monroe Howes ist ein atemloser Thriller und trotz der 388 Seiten schnell gelesen. Die Autorin reißt viele Themen an, schafft es aber leider nicht, sie alle zu Ende zu führen.
Equilon
Sieben Milliarden Menschen leben auf der Erde, das Gros der Bodenschätze ist ausgebeutet und der Klimawandel in vollem Gange. Die Bevölkerung der Erde ist gespalten. Ein Teil lebt im Wohlstand und darf am Fortschritt teilhaben. Der andere Teil lebt unter widrigen Bedingungen und kann nur hoffen, ausgewählt zu werden. Denn ein Programm namens Equilon bewertet kontinuierlich, wer es wert ist, aus einem Grenzland in eines der prosperierenden Länder überzusiedeln. Wie beispielsweise Jenna, die gerade nach New Valley eingeladen wurde.
Sie ist intelligent, erfindungsreich und kann das neue Leben kaum erwarten. Doch als sie in der High-Tech-Welt ankommt, erlebt sie einen Kulturschock. Der Luxus, die Technik, das alles überfordert sie. Gleichzeitig erlebt Dorian aus Old LA das genaue Gegenteil. Der empathische und hilfsbereite junge Mann fällt in der Bewertung durch Equilon stetig weiter zurück. Doch dann erhält er unvermittelt eine Möglichkeit, das System zu schlagen. Die österreichische Autorin Sarah Raich zeichnet eine bedrückende Zukunftswelt und zwei Handlungsstränge, die in diese hineinziehen. Dann und wann gerät die Geschichte etwas aus dem Takt, was das Lesevergnügen aber nicht allzu sehr schmälert.
Die Angestellten
Kein Roman, keine Novelle…es ist nicht einfach zu sagen, wie Die Angestellten von Olga Ravn genau zu klassifizieren ist. Aber ein eindringliches und ziemlich erfrischendes Leseerlebnis ist es auf jeden Fall. Denn es setzt sich aus Gesprächsprotokollen und Erfahrungsbeschreibungen der Belegschaft des sogenannten Sechstausender-Raumschiffes zusammen, das von einem Planeten namens Neuentdeckung mehrere merkwürdige Artefakte aufgelesen hat. Die wecken in der Besatzung plötzlich Sehnsüchte: nach der Erde, nach verstorbenen Freunden und Verwandten und Intimität. Das Phänomen betrifft nicht nur die menschliche Mannschaft, sondern auch die „Humanoiden“, die dort ihren Dienst tun.
Die dänische Autorin erschafft in Die Angestellten eine ziemlich surreale Zukunftswelt, die oft im Ungefähren stattfindet. Nur langsam erschließt sich über die Gespräche und Statements die Natur der Beziehung der geborenen Menschen mit den „gemachten“ Arbeitern auf dem Schiff, die durch die Artefakte allmählich zu bröckeln beginnt. Denn wie sich zeigt, sind sich die beiden Spezies nicht so unähnlich, wie es für beide Seiten schien. Vor allem die Humanoiden sind lebendiger als es die Menschen wahrhaben wollten. Bei ihnen wird ein Verlangen nach einem Lebenssinn und nach Selbstverwirklichung geweckt.
Blutmusik
Der Forscher Vergil Ulam ist so genial wie eigenwillig – und rücksichtslos. Er entwickelt auf Basis seiner eigenen Lymphozyten mikroskopische Computer-Maschinen. Seine Vorgesetzten sehen darin eine Gefahr und ordnen an, sie zu zerstören. Aber Ulam will seine Erfindung retten und injiziert sie in seinen Blutkreislauf. Dort vermehren sie sich, entwickeln ein eigenes Bewusstsein und springen auf andere Menschen über. Um sich selbst zu erhalten, beginnen sie, ihre Träger zu verändern. Die Infizierten werden von den Bio-Maschinen von Krankheiten geheilt, sie machen sie gesünder, intelligenter, stärker… und verschmelzen mit ihnen.
Und es bleibt nicht bei den Menschen. Auch Tiere und Pflanzen werden von den Zellen befallen und weiterentwickelt. Es entsteht ein Superorganismus. Letztlich müssen die Bio-Computer einsehen, dass die Erde ihnen nicht genügt. Der bereits 1985 erschienene Roman von Greg Bear umreißt ein schwer greifbares Szenario, das sowohl wunderlich als auch unheimlich erschreckend erscheint – und im Zuge der Debatten um Künstliche Intelligenz sehr aktuell wirkt. In Blutmusik versucht Bear zu fassen, ob und wie Künstliche Lebensformen ein Bewusstsein erlangen könnten, wie Mensch und Maschine zusammenfinden könnten – und was wohl danach kommt.
Do not eat!
Tja, dumm gelaufen. Einige formwandelnde Außerirdische haben die Erde als potentiellen Ersatzplaneten für ihre heruntergerockte Heimat ausgemacht. Für den Rückflug, um grünes Licht für die Invasion zu geben, haben sie ihr Schiff mit Tausenden von Menschen als Reiseproviant vollgestopft. Darunter auch sechs Wissenschaftler, die den Aliens jedoch erst einmal helfen sollen, die Erde besser kennen zu lernen. Damit sie nicht versehentlich verspeist werden, werden ihnen T-Shirts mit „DO NOT EAT!“ angezogen.
Als sich die Aliens auch sonst ziemlich anstrengen, jedes Negativklischee – samt der Sache mit den Sonden – zu erfüllen, reicht es dem Physiker Clint Beecham. Der hatte eh schon einen ziemlich bescheidenen Tag und will nun eine Rebellion anzetteln. Die Aliens nehmen all das natürlich nicht sonderlich ernst. Ein Fehler! Der Autor Kevin Hearne liefert mit Do not eat! eine herrlich absurde Comedy-Novelle, die locker leicht, mit viel Witz und noch mehr Tempo erzählt wird. Mit knapp über 100 Seite ist die Geschichte an einem Nachmittag weg gelesen.
Der brennende Mann (Tiger, Tiger)
Der Händler Gully Foyle hat nicht viel Glück. Auf einer Mission wird sein Raumschiff Nomad angegriffen und treibt daraufhin für Monate im All. Als endlich ein anderes Schiff in Reichweite kommt, ignoriert es sein Rettungssignal. Als es ihm schließlich gelingt, sein Schiff wieder in Gang zu bekommen, wird er von einem kosmischen Cargo-Kult entführt, der ihm ein entstellendes Tiger-Antlitz aufs Gesicht tätowiert. Doch Foyle kann der Sekte entkommen. Wieder in Freiheit entschließt sich der einst so antriebslose Mann, gleich dem Grafen von Monte Christo auf einen blutigen Rachefeldzug zu gehen.
Gully Foyle will die Mannschaft des Schiffs finden, das ihn zum Sterben im All zurückließ. Er trainiert seinen Geist und lässt seinen Körper aufrüsten – und droht zu einem wichtigen Faktor in einem eskalierenden Krieg zu werden. Der schon 1956 erschiene Roman von Alfred Bester ist ein eigenwilliges Science-Fiction-Abenteuer. Es ist zuweilen überraschend brutal, manchmal unabsichtlich albern und merkwürdig grotesk. Jedoch nahm der Roman zahlreiche Elemente des Cyberpunk-Genres vorweg und gilt heute als Klassiker der Science Fiction.
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Jetzt Mitglied werden!The Marigold
Toronto war mal eine lebenswerte Stadt. Das ist vorbei. Die kanadische Metropole ist zum Spielplatz gieriger Spekulanten verkommen. Viele Stadtteile sind heruntergekommen. Selbst einstige Luxuswohntürme verfallen. Einen Jobs gibt’s höchstens noch in der ausbeuterischen Gig-Economy als Lieferant und Tagelöhner. Wer sich finanziell über Wasser halten kann, dem gibt der Klimawandel den Rest. Oder The Wet, eine sonderbare Masse, die sich in den Kanälen unter dem Boden der Stadt formt. Dieser Pilz, dieser Schimmel, er wächst und wächst und beginnt auch die Menschen zu infizieren.
The Marigold ist ein ungewöhnliches Leseerlebnis. Andrew F. Sullivan erkundet die Stadt, ihre Gesellschaft und die Geschehnisse darin durch die Augen zahlreicher verschiedener Protagonisten. Die junge Henrietta erkundet den Untergrund der Metropole, als einer ihrer Freunde von etwas entführt wird. Und ein Immobilienmogul tut sich schwer, seinem legendären Vater gerecht zu werden, und würde für den Erfolg sogar über Leichen gehen. Diese Einblicke werden in erzählerischen Vignetten gezeichnet. Oft bleiben Beschreibungen minimalistisch, pragmatisch und die Geschichte dadurch auf absonderliche Weise surreal und schauerlich. Interessant, aber nichts für jeden.
Death Watch
Schnelle Autos, fettiges und viel zu süßes Essen… es ist eine zweifelhafte Kunst, Menschen Produkte zu verkaufen, die sie früher oder später umbringen – oder ihnen zumindest schaden. Coe Vessel ist als Sohn eines legendären Marketinggurus ein Meister darin. Selbstsicher bewirbt er sich daher um einen merkwürdigen Werbeauftrag. Der exzentrische Künstler Watanabe will eine Uhr auf den Markt bringen, die sich nach dem Anlegen nie wieder abnehmen lässt und ihren Träger mit einem so cleveren wie diabolischen Mechanismus jederzeit umbringen kann.
Natürlich glaubt Coe Vessel nicht, dass diese Uhr wirklicht tödlich ist. Er vermutet dahinter viel mehr eine weitere von Watanabes eigensinnigen Kunststücken. Bei seiner Präsentation legt er daher einen Prototypen der Uhr an – und bekommt den Job. Aber ist das alles wirklich nur eine morbide Performance? Sicher ist: Coe Vessels Leben wird sich dramatisch ändern. Stona Fitch, selbst ehemaliger Werbefachmann, erzählt eine mal lockerleichte, dann wieder bitterböse Satire, die sich an einer Gesellschaft abarbeitet, die nach immer neuen und möglichst heiß debattierten Produkten giert – und an Menschen, die diese nur allzugerne an die Leute bringen.
Wrath
Sammy ist stinksauer. Er hat genug von der Tyrannei, den stetigen Tests und Versuchen. Sammy ist der Prototyp des neuesten Produkts von EditedPets, das genetisch modifizierte Haustiere vermarktet. Und ihr heißerwarteter Geniestreich sind Ratten, die durch ein modifiziertes Gehirn ihre Besitzer nicht nur verstehen, sondern auch mit ihnen kommunizieren können. Aber bevor es dazu kommen kann, will Sammy seine Rache. Die Ratte heckt einen Plan aus, um sich selbst und ihre Brüder und Schwestern aus der Misere des Testlabors zu befreien.
Die Autoren Shäron Moalem und Daniel Kraus folgen zunächst den Erschaffern von Sammy. Aber letztlich ist es seine Geschichte und sein Tun, das in den Mittelpunkt rückt. Die kleine Ratte wird vom unschuldigen Haus- und Versuchstier zu einem Meister der Manipulation – und einer Kraft, die die Wissenschaftler unterschätzt haben. Denn Sammy ist kaum aufzuhalten. Wrath changiert gekonnt zwischen Thriller und Satire hin und her, lässt mal schlucken und dann wieder lachen. Aber vor allem schafft es der Roman, immer wieder die eigenen Erwartungen zu durchkreuzen.
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