In den letzten zehn Jahren sind einige der spannendsten, interessantesten und auch intelligentesten Science-Fiction-Filme erschienen. Wir haben versucht, die 15 besten davon zu krönen.
Von Michael Förtsch
In wenigen Tagen geht ein Jahrzehnt zu Ende. Eines, das sich für das Science-Fiction-Kino im Rückblick als ziemlich prägend erwiesen hat. Denn die 2010er-Jahre brachten eine geradezu epochale Schwemme an Filmen hervor, die sich in die wissenschaftliche Phantastik einordnen lassen. Darunter waren Blicke in die Zukunft und die Vergangenheit, Dystopien und Utopien, Vorstöße in den Weltraum – und natürlich die Erforschung von Technologie und ihrer Implikationen für Kunst, Kultur und Gesellschaft.
Das Science-Fiction-Kino der 2010er-Jahre war auch deshalb so interessant, weil sich besonders viele Filmemacher an das Genre heranwagten. Nicht nur einige Hollywood-Größen versuchten sich an fantastischen Zukunftsvisionen. Auch Indie-Regisseuren war es dank inzwischen günstiger Spezialeffekte aus dem Computer möglich, ihre Visionen ohne großes Budget oder ein namhaftes Studio im Rücken bildgewaltig in Szene zusetzen. Die futuristischen Welten wurden außerdem nicht mehr nur in Hollywood, Japan oder Europa erdacht, sondern auch in China, Indien oder Malaysia.
Dabei kam natürlich nicht nur gute Kost herum. Mit Max Steel, Kill Switch, Replicas, Hangar 10, Transformers: The Last Knight und Alien Outpost waren unter den schlechtesten Filme des Jahrzehnts einige Science-Fiction-Produktionen. Aber um die geht es uns nicht. Stattdessen wollen wir versuchen, einige der besten Science-Fiction-Filme des Jahrzehnts zu ehren. Und natürlich seid ihr eingeladen, zu ergänzen, zu kritisieren oder uns auch einige weitere Gurken zu nenne, die ihr für unerträglich haltet.
Hier also unsere Top 15 der besten Science-Fiction-Filme der 2010er-Jahre!
Snowpiercer
Das Kältemittel CW-7 war die große Hoffnung. Es sollte die globale Erwärmung aufhalten. Das hat es auch. Nur verwandelte es die Erde dabei gleich in einen Eisklumpen. Nachdem zahlreiche Menschen erfroren sind, retten sich Hunderte Überlebende in einen High-Tech-Zug, der die Erde umrundet. Die Passagiere sind jedoch klar separiert – in jene, die anfangs ihr Ticket bezahlt hatten, und jene, die die hinteren Wagons besetzten, bevor der Zug losfuhr. Das führt nicht nur zur Spannungen, sondern gleich zum Aufstand. Die Verfilmung der französischen Graphic Novel Le Transperceneige durch den Filmemacher Bong Joon-ho ist eine manisch-brutale Gesellschaftskritik, die zwischen westlichem und östlichem Stil pendelt, packt, fesselt und noch lange nach Filmende bewegt.
Ex Machina
Ohne Zweifel ist Ex Machina einer der scharfsinnigsten Filme über Künstliche Intelligenz, Freiheitsdrang und den menschlichen Machbarkeitswahn. Der junge Caleb gewinnt im Psycho-Drama von Alex Garland ein Wochenende mit Nathan, dem genialen aber zwielichtigen Gründer des Internetunternehmens Blue Book. Der hat zurückgezogen im Nirgendwo einen lebensechten Robotermenschen erschaffen: die hübsche Ava. Caleb soll für den Milliardär herausfinden, wie überzeugend sie als Mensch ist. Die Gespräche und Begegnungen von Mensch und Roboter sind zunächst zögerlich aber werden schnell innig und vertraut. Und schon bald verfällt Caleb dem künstlichen Mädchen, das ihn darum bittet, ihr zu helfen – nämlich dabei, zu fliehen.
Her
Was braucht es, um Liebe zu entfachen? Und ist es tatsächlich so abwegig, sich in eine Maschine zu verlieben, wenn sie die eigene Zuneigung erwidert? In Spike Jonzes Her kommen diese zentralen Fragen auf, als sich der schüchterne Theodore Twombly ein neues Betriebssystem zulegt, das gänzlich auf Künstlicher Intelligenz aufbaut. Samantha, wie es sich tauft, lernt Theodore kennen, berät ihn, hilft ihm seinen Alltag besser zu bewältigen und baut eine Beziehung zu ihm auf. Bald führen beide lange und intensive Gespräche, die Samantha immer menschlicher erscheinen lassen. Es dauert nicht lange und ein Leben ohne die KI ist für Theodore unvorstellbar. Das einfühlsam Drama ist entgegen vielen anderen Genre-Kameraden in wohlig-warme Farben getaucht, gemächlich erzählt und wohl nicht nur einer der besten Science-Fiction-Filme, sondern auch einfach einer der besten Filme dieses Jahrzehnts überhaupt.
Coherence
Ewig hatten sie sich nicht gesehen. Daher sind Emily, Kevin, Mike, Lee, Hugh, Beth, Amir und Laurie sehr froh, endlich mal wieder gemeinsam einige Stunden bei einem gemütlichem Essen verbringen zu können. Die Sommernacht verspricht auch deswegen besonders werden, weil ein Komet über den Himmel ziehen soll. Der kommt der Erde aber näher als gedacht und stört das Mobilfunknetz, lässt Handys zerspringen und den Strom ausfallen. Nur in einem Haus ganz in der Nähe brennt noch Licht. Dort wollen einige der Partygäste um Hilfe bitten. Das Haus kommt ihnen beim Näherkommen äußerst bekannt vor – und nicht nur das. Der Film von James Ward Byrkit ist ein ziemlicher Geheimtipp. Er jongliert mit Thriller- und Science-Fiction-Elementen, erzeugt Spannung und bleibt dabei stets clever und geistreich.
Blade Runner 2049
Ganze 35 Jahre dauerte es bis der Kultklassiker Blade Runner eine Fortsetzung bekam. In dieser inszenierten Regisseur Denis Villeneuve und Produzent Ridley Scott die Suche des Replikanten K nach einem Kind, das Rachel aus dem Originalfilm zur Welt gebracht haben soll – ein Kind, das, wie er zunehmends glaubt, er gewesen sein könnte. Es ist eine Reise, die ihn durch eine zerstöre und verwüstete Welt führt. Blade Runner 2049 ist eine elegische und bildgewaltige Inszenierung, die darüber sinniert, was einen Menschen komplettiert; welcher Hybris es bedarf, sich über ein anderes Lebewesen zu erheben und ob Liebe auch real sein kann, selbst wenn sie nur programmiert wurde.
Die Wandernde Erde
Mit der Sonne geht es zu Ende. Schon bald wird sie sich zu einem Roten Riesen aufblähen. Die Regierungen der Welt beschließen daher, das Unmögliche zu tun. Unser Heimatplanet soll nach Proxima Centauri geschoben werden, um dort um eine andere Sonne zu rotieren. Dafür sollen 10.000 gigantische Raketentriebwerke sorgen – während die Menschen in Städten unter der Erde wohnen. Doch etwas geht schief, die Erde kommt von der Bahn ab und droht, mit dem Jupiter zu kollidieren. Ein bunte Gruppe von Helden muss das verhindern. Die wandernde Erde von Regisseur Frant Gwo nach der Novelle von Liu Cixin ist der erste große Science-Fiction-Film aus China. Er ist bombastisch inszeniert, schnell und einfach gute Sci-Fi-Unterhaltung.
Interstellar
In Interstellar wird der ehemalige Raumfahrer Joseph Cooper von der fast vergessenen NASA angeheuert und mit einem kleinen Team ausgeschickt, um für die Menschheit eine neue Heimat zu finden. Denn die Erde verkommt durch die globale Erwärmung allmählich zum Wüstenplaneten. Liegen soll die neue Welt auf der anderen Seite eines schwarzen Lochs, das urplötzlich in unserem Sonnensystem aufgetaucht ist. Christopher Nolans Interstellar ist ein kosmisches Abenteuer, ein Epos und ein Familiendrama, das ganze Lichtjahre überspannt. Aber vor allem ist es ein Science-Fiction-Film, der in seiner gigantischen Vision, seiner überbordenden Optik und seiner pingeligen Liebe zu wissenschaftlichen Details wohl nur mit 2001: Odyssee im Weltraum vergleichbar ist.
Arrival
In Arrival trifft die Menschheit erstmals auf außerirdische Lebewesen. Ihre Schiffe sind rund um die Welt verteilt. Aber was sie hier wollen, das ist ein großes Geheimnis. Denn verständigen können wir uns mit ihnen nicht. Das soll die Sprachforscherin Louise Banks ändern. Der Science-Fiction-Film von Denis Villeneuve basiert auf einer Kurzgeschichte von Ted Chiang und geht der Frage nach, ob und wie unsere Sprache unser Denken und unser Verständnis formt, wie sich die Bedeutungen von Begriffen formen und wie unser Selbstverständnis in Frage gestellt würde, falls wir auf außerirdisches Leben treffen sollten. Dieses filmische Gedankenexperiment ist epochal, aber zugleich zurückhaltend inszeniert und gerade daher von überwältigender Wucht.
High Life
Mit High Life hat sich die Arthouse-Regisseurin Claire Denis an das Science-Fiction-Grenre gewagt. Herausgekommen ist eine bedrückend düstere und verstörende Parabel auf Lust, Gewalt und Unmenschlichkeit. Die dreht sich um ein kleines Raumschiff, das mit einer Gruppe männlicher und weiblicher Gefangene in Richtung eines schwarzen Loches geschickt wurde. Einer von ihnen ist Monte, der bereits mit seinem Schicksal abgeschlossen hat. Aber er kann sich dem Miteinander an Bord des Schiffes nicht entziehen, das schon bald in Gewalt ausartet. Dazu vollzieht die Mörderin und Schiffsärztin Dibs bizarre Fruchtbarkeitsexperimente. Diese gelingen und führen zur Geburt eines kleinen Mädchens, das scheinbar keine Chance auf ein Leben hat.
Auslöschung
Vor drei Jahren ist etwas in ein Küstengebiet bei Florida eingeschlagen. Seit dem ist es von einer schimmernden Wand umgeben. Immer wieder entsendete die Organisation Southern Reach kleine Teams von Forschern in die sogenannte Area X, die aber nicht zurückkehrten. Nun wird eine Gruppe von Forscherinnen hineingeschickt. Die trifft dort eine von der Natur beherrschte Welt, die jedoch unnatürlich und verzerrt erscheint. Ebenso hat das Gebiet auch Einfluss auf den Verstand der Wissenschaftlerinnen – die nicht erfassen können, was mit ihnen und ihrer Umwelt geschieht. Der Film von Alex Garland basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jeff VanderMeer und ist eine einzigartig surreale Erfahrung, die an Klassiker wie Stalker und Solaris von Andrei Tarkowski denken lässt.
Mad Max: Fury Road
Über 30 Jahre hatte Regisseur George Miller versucht, eine Fortsetzung zu seiner postapokalyptischen Mad-Max-Trilogie zu drehen. Mit dem 2015 erschienen Mad Max: Fury Road ist es ihm endlich gelungen. Max Rockatansky rast, springt, schießt sich in dem Endzeitstreifen durch eine scheinbar endlose Wüstenlandschaft, um gemeinsam mit der Fahrerin Furiosa den Harem des irren Tyrannen Immortan Joe zu schützen. Es gibt keine Pausen, keine Ruhe. Mad Max: Fury Road ist ein überdrehtes Ballett aus fantastischen Stunts, irren Fahrzeugen und blechernen Explosionen – und damit ein rauschhafter Fiebertraum dessen, was Miller einst mit den Max-Max-Filmen angestoßen hatte.
Der Marsianer
Gleich mehrfach hatten Verlage den Debütroman von Andy Weir abgelehnt. Spätestens seit der Alien -Regisseur Ridley Scott Der Marsianer verfilmt hat, dürfte klar sein, dass sie kein gutes Gespür hatten. Denn Weir hatte damit den Stoff für einen der einflussreichsten Science-Fiction-Filme des Jahrzehnts geliefert. Die Geschichte von Astronaut Mark Watney, der nach einem Sturm allein auf dem Mars zurückgelassen wurde und dort um sein Überleben kämpft, war mitverantwortlich für eine neue Begeisterung rund um den roten Planeten und die bemannte Raumfahrt. Vor allem da es Weir und Scott gelang, nicht nur die Raumfahrt, sondern auch die dahinterstehende Wissenschaft und selbst das Anbauen von Kartoffeln cool zu machen.
Monsters
Eine NASA-Sonde, die nach fremden Lebensformen suchte, kehrt zwar zur Erde zurück, aber zerbirst über Nordmexiko. Danach beginnen über einem langen Streifen der USA und Mexiko fremde Lebensformen zu wachsen – Pflanzen und Tiere. Der Fotograf Andrew Kaulder ist dort unterwegs, um die Angriffe der Aliens zu dokumentieren, als er den Auftrag bekommt, Samantha, die Tochter seines Verlagsleiters, in die USA zurückzubringen. Bald werden nämlich die Grenzen geschlossen, weil die Paarungszeit der Kreaturen beginnt. Als Andrew und Sam ihre Reisetickets und Pässe gestohlen werden, können sie nur noch durch die verseuchte Zone. Das ist dramatisch, emotional und vom seinerzeit noch unbekannte Regisseur Gareth Edwards imposant inszeniert.
Another Earth
Es ist eine Entdeckung, die alles verändert. Unweit der Erde wird ein bis dato unbekannter Planet ausgemacht, der der Erde verblüffend gleicht. Als die Meldung durch alle Radiosender geht, feiert die junge Rhoda Williams gerade ausgelassen. Betrunken setzt sie sich ans Steuer und lässt sich vom Blick in den Himmel ablenken – und verursacht einen schrecklichen Unfall. Vier Jahre später entdeckt sie jenen Mann, dessen Wagen sie angefahren hat und gibt sich als Putzkraft aus, um für ihn zu arbeiten. Währenddessen plant ein Millionär eine Reise zu dem fremden Planeten, der sich als Spiegelbild der Erde erwiesen hat. Die Tickets für den Flug will er verlosen. Dadurch entspinnt sich ein melancholisches wie auch philosophisches Drama.
Gravity
Die Astronautin Ryan Stone und Astronaut Matt Kowalski starten mit einem Space Shuttle ins All, um Reparaturarbeiten am Weltraumteleskop Hubble vorzunehmen. Wie sie plötzlich erfahren, wurde durch eine Rakete ein russischer Satellit zerstört. Nun rast ein Trümmerfeld auf sie zu. Kowalski und Stone wollen sich zurück ins Shuttle retten. Doch das Shuttle und Hubble werden zerstört und Stone ins All geschleudert. Sie ist nun alleine – und versucht die Internationale Raumstation zu erreichen, um wieder auf die Erde zu kommen. Alfonso Cuarón hat mit Gravity nicht nur ein atemloses Abenteuer, sondern einen optisch und schauspielerisch überwältigenden Survival-Thriller geschaffen.
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