Der Science-Fiction-Klassiker V: Darum ist die 80er-Jahre-Serie heute relevanter denn je

Vor 40 Jahren feierte eine Science-Fiction-Serie ihre Premiere, die Gesellschaft, Popkultur und Politik nachhaltig geprägt hat. In der Serie V erreichen außerirdische Besucher mit riesigen Raumschiffen die Erde. Sie bitten um Hilfe – und versprechen im Gegenzug fortschrittliche Technologie und Medizin. Doch die Aliens sind nicht so, wie sie vorgeben zu sein. Sie haben finstere Ziele. Das macht V erschreckend aktuell und zu einem umstrittenen popkulturellen Artefakt.

Von Michael Förtsch

Es passiert ganz plötzlich. Ohne Vorwarnung kommen sie an. Zu einem nicht näher umrissenen Zeitpunkt in den frühen 1980ern erscheinen rund um die Welt 50 fliegende Untertassen. Es sind gigantische Raumschiffe, die das Ausmaß kleiner Städte haben und sich über den politischen, gesellschaftlichen und industriellen Zentren der Erde platzieren: New York City, Paris, Moskau, Tokio, Jerusalem und weitere. Zunächst verharren sie einfach in Stille. Sie beobachten, während die Weltbevölkerung teils verängstigt, teils fasziniert, teils hoffnungsfroh vor den Fernsehgeräten ausharrt. Rund um die Uhr wird über die mysteriösen Flugobjekte berichtet, die von nicht wenigen in Militär und Politik als potentielle Bedrohung gesehen werden. Kampfflugzeuge, Hubschrauber, Panzer werden in Stellung gebracht. Denn das ist es, was die Science Fiction gelehrt hat – und was zum Denken der Zeit des Kalten Krieges passt.

Aber es kommt zu keinem Angriff. Die riesigen Schiffe feuern keine Laserstrahlen auf die Städte der Erde, sondern beginnen abrupt eine Nachricht zu senden – jeweils in der Sprache des Landes, über dem das jeweilige Schiff schwebt. „Bewohner der Erde, seid gegrüßt, wir kommen in Frieden“, lautet die Botschaft. Die Besucher wollen sich mit einem Vertreter der Menschheit treffen, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, und zwar auf dem Dach des UN-Hautquartiers in New York City. Dort landet dann auch ein weißes Shuttle, das etwas an ein ausgebeultes Space Shuttle erinnert. Vor der versammelten Presse, begleitet von TV-Kameras geht der Generalsekretär hinein und kommt wenig später wieder heraus. Hinter ihm: die Außerirdischen, die so ganz anders erscheinen als es viele erwartet haben.

„Er sieht aus wie einer von uns“, kommentiert ein TV-Sprecher, als das erste Alien ins Licht der Scheinwerfer tritt: ein älterer Mann mit grauem Haar, gekleidet in einen roten Fliegeranzug. Er entschuldigt sich für seine für menschliche Ohren verzerrt erscheinende Stimme und eine getönte Sonnenbrille, die er auf seine Nase setzt. Denn in seiner Heimat sei das Licht nicht so grell. Ebenso sei wohl sein Name zu exotisch. Daher hätten er und andere Vertreter seiner Art menschliche Namen gewählt. Sein Name: John, der Oberkommandiere der Flotte. Wie John sagt, sind die Besucher nicht ohne Grund hier und haben die Erde bereits seit einer Weile ungesehen studiert. „Wir brauchen eure Hilfe“, erklärt er. Denn die Umwelt des Heimatplaneten der Aliens sei in desaströsem Zustand.

Nur bestimmte chemische und biologische Verbindungen könnten den Planeten noch retten. Die Menschheit besäße die Ressourcen, um sie herzustellen. Im Gegenzug für die Hilfe versprechen die Außerirdischen, ihr Wissen mit den Menschen zu teilen: neue Technologien, medizinische Verfahren und auch Möglichkeiten, die Erde vor einem Schicksal zu bewahren, wie es der Planet der Besucher im Sternbild Canis Major – dem großen Hund – erleiden muss. Wenn sie alles, was sie brauchen, bekommen hätten, verspricht John, würden sie wieder abziehen. „Genauso, wie wir ankamen“, sagt er. „In Frieden.“ Eine geradezu unglaubliche Kontaktaufnahme und ein Angebot, das zu schön erscheint, um wahr zu sein. Das ist es auch.

Eine Parabel auf den Faschismus

Das Fernsehprogramm der 1970er und 1980er ist wild, kreativ und bringt zahlreiche Kultserien hervor: Knight Rider, Kung Fu, Das A-Team, Columbo, Ein Colt für alle Fälle und viele mehr. Der Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Kenneth Johnson hat seinen Anteil daran. Er ist für Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann, den Ableger Die Sieben-Millionen-Dollar-Frau und Der unglaubliche Hulk mitverantwortlich – drei der erfolgreichsten Serien dieser Ära. Er gilt damit als einer der TV-Macher, die sich ihre Projekte aussuchen können. Für ihn wird schonmal Platz im Kalender der Entscheider bei den großen Fernsehstudios gemacht wird, wenn er mit einer Idee ankommt. Das passt gut.

Johnson will nicht nur Fernsehen machen, das unterhält, sondern auch nachhaltigen Eindruck bei den Zuschauern hinterlassen. Er möchte etwas produzieren, das subversiv ist und zum Nachdenken darüber anregt, wie es um die Welt und insbesondere die USA bestellt ist. „Es gibt diesen Roman von Sinclair Lewis: It Can’t Happen Here“, erklärt Johnson in einem Interview für das Fachbuch Dystopian States of America. „Ich hatte ihn eine Weile zuvor gelesen. Ich fand ihn beeindruckend.“ It Can’t Happen Here ist eine Dystopie, die bereits 1930 erschien – zur Zeit des Vormarschs des Faschismus in Europa.

Der Roman folgt dem Journalisten Doremus Jessup, der den politischen Aufstieg des US-amerikanischen Politiker Berzelius Windrip protokolliert. Windrip verspricht den USA eine Rückkehr zu Patriotismus und Traditionalismus: alte Werte, alte Stärke. Er steigt zum Präsidenten auf und verwandelt die USA in einen Polizeistaat. Der einzige Ausweg, den Jessup und andere sehen, ist eine Rebellion. Kenneth Johnson ist von dieser Widerstandsgeschichte fasziniert. Er erkennt darin das Material für ein TV-Event. Ihm schwebt jedoch keine platte Adaption des Romans vor. Er will sich an einer modernen und zeitgenössischen Neuinterpretation versuchen – und schreibt ein Drehbuch.

Mit seiner Idee kommt Johnson zur rechten Zeit. Der TV-Sender NBC gilt bei vielen Zuschauern als mutlos und wenig innovativ – und der 1982 gerade neu angetretene Senderchef Brandon Tartikoff und der Produzent Jeff Sagansky wollen das ändern. Sie sind von Johnsons Idee angetan, wollen sie als Miniserie umsetzen, haben jedoch auch einige Bedenken. Sie sind unsicher, ob die Zuschauer die Gefahr des Faschismus verstehen werden, wenn sie aus ihrer Mitte kommt – wie im Roman. Beide glauben, es wäre nachvollziehbarer, wenn eine externe Kraft den Faschismus über die USA bringt: die Sowjetunion, China oder … Außerirdische, wie Jeff Sagansky in einer Besprechung vorschlägt.

Diese Aliens, sie sagen, sie kommen in Frieden.

Jeff Sagansky

Vom Alien-Konzept ist Johnson zunächst wenig angetan. „Ich wollte keine Monster oder Raumschiffe“, sagt Johnson. Er will als ernsthafter TV-Autor wahrgenommen werden. Und Science-Fiction-Autoren werden selbst in den 1980ern noch belächelt. Doch ein Satz von Jeff Sagansky kommt ihm immer wieder in den Kopf und inspiriert ihn: „Diese Aliens, sie sagen, sie kommen in Frieden.“ Johnson glaubt, dass dieser simple Einwurf des Produzenten einen neuen und unerwarteten Blickwinkel eröffnen kann, wie Science-Fiction-Metaphern das Thema zugänglicher machen können. Er macht sich an die Arbeit und schreibt das komplette Drehbuch neu – in nur 19 Tagen.

Teures Fernsehen

Als Kenneth Johnson sein Drehbuch schließlich abgibt, wird es von Brandon Tartikoff anstandslos durchgewinkt. Der NBC-Chef vertraut Johnson die Produktion der zwei je zwei Stunden langen Episoden an und setzt ihn auch gleich in den Regiestuhl, bürdet ihm damit jedoch eine enorme Verantwortung auf. Die Produktion muss rasant über die Bühne gehen. Bereits im Mai 1983 soll die nun V überschriebene Serie anlaufen – ein Monat, in dem viele Sender ihre Prestigeproduktionen und neuen Serien ausstrahlen. Denn viele große Marken und Agenturen setzen zu diesem Zeitpunkt ihre Werbebudgets fest, die sich an den Zuschauerzahlen bemessen. Erweist sich V als Publikumsknüller, wäre das ein enormer Gewinn.

Das Budget für V liegt bei acht Millionen US-Dollar. Für eine TV-Produktion ist das enorm – es entspräche 2023 etwa 25 Millionen US-Dollar – und erlaubt opulente Sets, aufwendige Effekte und einen breiten und ziemlich bunten Cast aus neuen und bekannten Schauspielern. Darunter Marc Singer als Journalist Mike Donovan, Faye Grant als die Medizinstudentin Juliet Parrish, Richard Lawson als der Arzt Ben Taylor und Jane Badler, Richard Herd und Robert Englund als die Besucher Diana, John und Brian.

Laut Johnson basieren einige der Figuren auf ganz realen Menschen. Juliet Parrish sei etwa Andrée de Jongh nachempfunden, einer Krankenschwester aus dem Zweiten Weltkrieg, die zu einer Anführerin der Resistance wird. Doch wie Johnson sagt, wollte er auch ein TV-Event schaffen, in dem sich jeder auf die ein oder andere Art wiederfindet. „Ich wollte, dass der Zuschauer sagen kann: Oh, ja, das könnte ich sein“, so der Autor und Regisseur. Daher sind die Rollen divers und vielfältig.

Die ersten Drehs finden gerade einmal zweieinhalb Wochen, nachdem Tartikoff das Drehbuch gelesen hat, statt. Darunter Szenen in Krankenhäusern, den Straßen von Los Angeles und typischen Vorortwohnhäusern. Parallel werden unter Hochdruck die nicht gerade günstigen Innenräume der Besucherschiffe und Requisiten wie die Landefähren gebaut. Maskenbildner versuchen derweil herauszufinden, wie sie Jane Badler und ihre Besucherkameraden in grauenhafte Echsenmenschen verwandeln können – etwas, das sich als deutlich teuer erweist als gedacht. Doch das Make-up ist der Twist, der viele Zuschauer tatsächlich recht unerwartet trifft.

Eine stille Invasion

Nachdem die Besucher auf der Erde angekommen sind, schließen sie Verträge mit mehreren Regierungen und auch Betreibern von Fabriken. In diesen wollen sie die chemischen und biologischen Stoffe produzieren, die sie für ihren Planeten brauchen. Viele Menschen sind von den Ankömmlingen fasziniert, einige von ihrem zumeist attraktiven Äußeren sogar angetan, wie etwa die Teenagerin Robin oder die Food-Truck-Betreiberin Harmony. Aber es gibt auch Skepsis gegenüber den Außerirdischen. Die allzu offene und freundliche Art ist einigen suspekt. Manche haben auch einfach ein sonderbares Gefühl, was die Motive der Aliens angeht, die allesamt so militärisch uniform auftreten und zwar immer wieder versprechen, ihr Wissen und ihre Technologie zu teilen, aber das dann immer wieder aufschieben.

Viele Wendepunkte der Handlung werden als Fernsehbeiträge inszeniert, die von erstaunten Zuschauern beobachtet werden. Denn so war es, wie die US-Bevölkerung der 1980er die Welt wahrnahm, sagt Johnson: auf den flimmernden Bildschirmen, die in Wohnzimmern, Büros und Warteräumen standen. Auf diese Weise erfährt die Öffentlichkeit von einer angeblichen Verschwörung gegen die Besucher, die der belgische Nobelpreisträger Maurice Jankowski öffentlich macht. Wissenschaftliche Führungspersönlichkeiten hätten den Plan gefasst, die Kontrolle über die Schiffe der Aliens zu übernehmen. Angeblich auch Doktor Rudolph Metz, der Doktorvater von Juliet Parrish, in dessen Unterlagen sich Verschwörungsschriften finden, die er aber zuvor nie gesehen haben will.

Auch für Anschläge auf einige Alien-Raffinerien soll eine von radikalen Wissenschaftlern angeführte Terrorgruppe verantwortlich sein. In der US-Bevölkerung wächst der Hass auf die Wissenschaft und ihre Vertreter. Denn die Besucher drohen, ihre Pläne zu ändern, ihre Technologie für sich zu behalten und abzuziehen. Wissenschaftler werden daraufhin als Gefährder klassifiziert und gezwungen, Behörden stets über ihren Aufenthaltsort zu informieren. Den Besuchern wird zudem gestattet, eigene Sicherheitskräfte auf den Straßen patrouillieren zu lassen. Einige Menschen beginnen sich zu arrangieren, werden zu Kollaborateuren der Besucher, können und wollen vom Einfluss der Besucher profitieren und sind dafür bereit, mit Freunden und Familie zu brechen.

Insbesondere Menschen wie dem Holocaust-Überlebenden Abraham Bernstein werden die Parallelen zu dem bewusst, was einst unter der Nazi-Herrschaft in Europa geschah. Langsam, aber sicher verhelfen die Ereignisse den Besuchern zu mehr und mehr Macht. Und das obwohl weiterhin sehr wenig über sie bekannt ist. Der Journalist Mike Donovan schleicht sich daher an Bord eines der Mutterschiffe und protokolliert dort die Wahrheit: Die Besucher sind echsenartige Kreaturen, die mit aufgesperrten Mündern kleine Mäuse und Meerschweinchen vertilgen. Ihr menschliches Äußeres besteht aus falscher Haut und Kontaktlinsen. Ihr wahrer Plan? Sie stehlen das Wasser der Erde und entführen Menschen als Proviant für ihre Rückkehr nach Hause.

In dem Moment, in dem die schockierenden Bilder auf einem TV-Sender ausgestrahlt werden sollen, kapern die Aliens die Frequenzen. Als das Band mit den Echsenmenschen dann über Umwege an die Öffentlichkeit gelangt, mag keiner daran glauben. Zu erschütternd, zu bizarr, zu bedrohlich erscheint es. Und das obwohl die Städte der Welt immer stärker unter Kontrolle der Besucher und ihrer freiwilligen Helfer fallen; Propaganda-Poster an Häusern kleben und Nachbarn ihre Nachbarn und Kinder ihre Eltern wegen angeblicher Verschwörungen denunzieren. Die einzige Hoffnung? Organisation, Widerstand und… das auch mit Waffengewalt und der Hilfe einiger Besucher, die die Verbrechen ihrer Anführer nicht gutheißen.

Vom Aufstieg und Fall

Als V im Mai 1983 ausgestrahlt wird, ist es ein Erfolg. Rund 40 Prozent der US-Haushalte schalten ein, eine heute unvorstellbare Zahl, die V bis heute zur erfolgreichsten Miniserie macht. Und zu einem kulturellen Meilenstein. Die Science-Fiction-Metaphern finden Anklang und machen das eigentlich ziemlich finstere Besatzungsszenario zu einem nationalen Gesprächsthema. Zeitungen wie die New York Times, die Washington Post und Magazine wie Newsweek loben die Serie und den Mut der Serienmacher. Die aufwendigen – wenn auch heute natürlich etwas altbacken wirkenden – Make-up-Effekte sorgen bei vielen Zuschauern für Erstaunen, Schock und sogar Albträume.

Der Sender ist zufrieden und Johnson ebenso. Nicht nur der NBC-Senderchef Brandon Tartikoff und der Regisseur, sondern auch die Zuschauer wollen mehr. Auch weil V sehr bewusst mit einem offenen Ende schließt, das den Beginn der Revolution gegen die Echsenmenschen porträtiert und viele Fragen unbeantwortet lässt. Als eine Nachfolgeserie mit drei weiteren Episoden abgesegnet wird, greift jedoch NBC-Eigner Warner Bros. ein. Das Studio will nicht, dass Johnson die Serie filmt – obwohl er bereits ein fertiges Drehbuch in der Schublade hat. Denn er hat das Budget für das Original um fast fünf Millionen US-Dollar überzogen. Warner Bros. wollte die neue Serie daher „so schnell und billig und schmutzig“ wie möglich abdrehen.

Appelle von Tartikoff und den Schauspielern nutzen nichts. Der Dreiteiler V: The Final Battle entsteht unter der Leitung des Futureworld-Regisseurs Richard T. Heffron und porträtiert den Kampf der bereits aus dem Original bekannten Widerständler gegen die Besucher. Insbesondere ihre Pläne, die wahre Gestalt der Aliens vor laufenden Kameras zu enttarnen und sie mit einem biologischen Kampfstoff von der Erde zu vertreiben. Johnson ist mit vielen Entscheidungen des Regisseurs und der Drehbuchautoren unzufrieden, die nur einzelne Passagen und Ideen aus seinem Drehbuch übernehmen. Er lässt sich daher nur unter dem Pseudonym Lillian Weezer im Abspann verewigen.

Als V: The Final Battle ein Jahr nach dem Original anläuft, fallen die Kritiken bei weitem nicht so begeistert aus wie beim Original. Dennoch ist die Serie für NBC erneut ein Publikumserfolg und führt nur ein halbes Jahr später zur günstig produzierten wöchentlichen Serie V: The Series. Nur einige der Originalschauspieler kehren für die Sendung zurück, die von Kritikern und selbst vielen Fans für ihre Ziellosigkeit, zuweilen regelrecht albernen Einfälle, aber vor allem für die eher Seifenoper-artige Atmosphäre abgestraft wird.

Als „kitschiger Schund“ und „ein Verbrechen an der Miniserie“ wird sie bezeichnet und nach 20 Folgen abgesetzt. Aufgrund des Cliffhanger-Endes gibt in den folgenden Jahren immer wieder Debatten um eine abschließende Miniserie oder einen Film, die jedoch im Nichts verlaufen. Lediglich eine kurze Comic-Reihe, Romanadaptionen und eine Serie von Spielzeugen gibt es noch. Der V-Erfinder Johnson hegt auch heute noch einen Groll auf Warner Bros. für das, „was [aus V] wurde“, und weil V deshalb eine ganze Weile aus dem kollektiven Gedächtnis entschwindet.

Es ist ein bisschen so, als würde man 1943 während der deutschen Besatzung in Paris leben.

Kenneth Johnson

Erst über 20 Jahre später soll V neues Leben eingehaucht werden. Durch Kenneth Johnson selbst. Mit V: The Second Generation schreibt er einen Roman, der 20 Jahre nach dem Original ansetzt – und die Handlung der beiden Nachfolgeserien weitestgehend ignoriert. Der Widerstand ist festgefahren, die Besucher kontrollieren Regierungen und Medien. Sie haben Teile ihrer Versprechen gehalten: Sie heilen Krankheiten wie Krebs, aber haben nahezu das gesamte Wasser aus den Ozeanen gepumpt – unter dem Vorwand, es für die Menschheit zu reinigen. „Es ist ein bisschen so, als würde man 1943 während der deutschen Besatzung in Paris leben“, so Johnson in einem Interview Post Gazette. „Man kann seinen Cappuccino auf den Champs-Elysées trinken, wenn man nichts dagegen hat, dass Soldaten neben einem sitzen.“

Kurz bevor der Widerstand aufzugeben droht, gibt es einen Hoffnungsschimmer: Denn am Ende der ersten Miniserie sendete Juliet Parrish einen Notruf ins All. Auf diesen bekommt sie nun eine Antwort. Mit den Zedti kommt eine zweite außerirdische Spezies auf der Erde an, die ein erklärter Feind der Besucher ist – und den Kampf der Menschen gegen sie unterstützen will. Wie Johnson 2007 auf der San Diego Comic-Con ankündigt, verhandle er mit NBC darüber, diesen Roman als Film umzusetzen. Die Chancen stünden gut. Aber ein Jahr später entscheidet sich der Sender anders.

NBC will lieber ein Remake der Serie. Der für 4400 bekannte Regisseur Scott Peters versucht sich an einer zeitgemäßen Neuinterpretation, die viele der Ideen des Originals aufgreift, aber das Thema auch im Lichte der politischen Umstände seiner Zeit adaptiert. In den Hauptrollen finden sich Elizabeth Mitchell als die FBI-Agentin und spätere Widerständlerin Erica Evans, Joel Gretsch als Pfarrer Jack Landry, Morena Baccarin als die Besucher-Anführerin Anna und Laura Vandervoort als ihre Tochter Lisa. Die Serie findet durchaus Anklang, die Pilotfolge wird vom Magazin E! sogar als „einer der besten Piloten, den wir je gesehen haben“ gefeiert. Dennoch wird die Serie nach zwei Staffeln mit offenem Ende abgesetzt – trotz massiver Proteste der Fans.

Schwieriges Erbe

Satte 40 Jahre nach der dem Start der Miniserie scheint V wieder erstaunlich aktuell. In den USA und auch hier in Europa droht durch populistische Politiker und Parteien ein erschreckender Rechtsruck – wie der, vor dem Johnson mit seiner Serie warnen will. Nicht wenige Beobachter vergleichen Donald Trump und seinen republikanischen Herausforderer Ron DeSantis mit dem fiktiven Berzelius Windrip aus It Can’t Happen Here, dem Roman der Johnson seinerzeit zu V inspirierte. Sie versprechen zwar keine Heilung für Krankheiten und neue Technologien, aber eine Rückkehr zu traditionellen Werten und einem starken Amerika. Sie kämpfen gegen vermeintlich woke Ideologien, Abtreibungen, Unterstützung für Transpersonen und alternative Lebensmodelle.

Aber V ist auch noch aus einem anderen Grund aktuell. Denn das Motiv der als Menschen getarnten Echsenwesen, die die Machtstrukturen unserer Welt unterminieren, hat sich zu einer von vielen geglaubten Verschwörungstheorie entwickelt. Eine, die auch antisemitische und fremdenfeindliche Codes bedient. Unter anderem behauptet der einstige Sportreporter David Icke seit den 1990ern, dass zahlreiche Politiker und Mitglieder des britischen Königshauses in Wahrheit gestaltwandelnde Echsenmenschen wären, die bei brutalen Opferritualen unschuldige Kinder schlachten.

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Wie Johnson in einem Interview mit Variety erzählt, erhält er immer wieder Briefe und E-Mails in denen ihm unterstellt wird, er habe versucht, mit seiner Serie die Wahrheit der Verschwörungstheoretiker in die Welt zu tragen. „Oh, du hast es verstanden!“, habe ihm jemand geschrieben. „Du weißt, dass es Echsen unter uns gibt!“. Johnson bedauert, dass seine Serie aufgrund der Entscheidung für reptiloide Aliens heute so missverstanden wird und den Verschwörungstheoretikern Material für ihre zuweilen gefährlichen Erzählungen liefert. Dabei habe er die Echsenaliens nur als leichtverständliches Sinnbild genutzt – für die sprichwörtliche Kaltblütigkeit und chamäleongleiche Täuschungskunst der Besucher.

Auch daher will Johnson die Serie heute zurückholen. Er will sie und ihr Erbe den Verschwörungstheoretikern, aber auch Warner Bros. entreißen. Deshalb möchte er mit Hilfe von Investoren die Rechte an seiner Serie zurückkaufen und sie neu verfilmen – nicht als TV-Serie, sondern als eine moderne und imposante Filmanthologie, die die Kernthemen aber nicht vernachlässigen soll. Denn was V zu sagen habe, sei heute vielleicht sogar wichtiger als vor 40 Jahren.

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Dies kam gerade als anonymer Leserbrief zum Thema rein:

"habe jahre nicht an die serie gedacht. verrückt das die schon so alt ist. wo kann ich die leihen oder kaufen?!"

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Sehr interessant! Aktueller denn je!
Wo kann man die Originalserie sehen?
Hoffentlich gelingt Johnson der Rückkauf und findet Sponsoren, die im beim weiteren Vorgehen freie Hand lassen!
Bin gespannt.

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Die zweiteilige Original-Serie gibt’s gerade bei Amazon für ~5 Euro.

https://amzn.to/3NARAOs

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Danke Michael! Liebe Grüße Rena

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Dies kam gerade als anonymer Leserbrief zum Thema rein:

"Tolle Serie! Ich erinnere mich als ich die das erste mal gesehen habe. Danke für den Flashback in meine Jugend!"

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Danke für den Hinweis. An das rote „V“ kann ich mich noch gut erinnern - damals in den 80ern oft gesehen. Aber die Serie nie geschaut. Wird nachgeholt!

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Dies kam gerade als anonymer Leserbrief zum Thema rein:

"das ist mal eine solide idee für ein retro retwatch! hut ab! "

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Schöne Hintergrundgeschichte! Vielen Dank.

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