Der Dfinity-Gründer Dominic Williams im Interview: „Wir wollen die Blockchain-Singularität!“

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Nach fünf Jahren Entwicklung hat die Schweizer Dfinity-Foundation die erste öffentliche Version ihres lang erwarteten Internet-Computers gelauncht. Er soll das ganze Netz auf eine schnelle, autonome Blockchain holen – und so den großen Tech-Konzernen den Garaus machen. Wir sprechen mit dem Gründer Dominic Williams über die Macht von Smart Contracts, die Tokenisierung des Netzes und einen neuen Kapitalismus.

Ein Interview von Krischan Lehmann

„Ich bin nicht dran schuld“, sagt Dominic Williams grinsend, als wir auf den explodierenden Krypto-Markt zu sprechen kommen. „Die Dfinity-Foundation ist eines der ältesten Krypto-Projekte, geht aber jetzt erst an die Börse, weil wir Jahre lang Hardcore-Forschung und Entwicklung betrieben haben.“ Rund 190 Leute, davon allein 20 Kryptographen hat der Chief Scientist und Gründer der quer über die Welt verteilten Stiftung mit Sitz in Zürich inzwischen hinter sich geschart. 170 Millionen US-Dollar an Wagniskapital von Top-Investoren wie Andreessen Horowitz und Polychain flossen seit der Gründung 2017 in das Projekt. Der äußerst ehrgeizige Plan: Den mosaikhaften Tech-Stack des Internets abzuschaffen, all die Cloud-Services, Datenbanken, CDNs, Web- und DNS-Server komplett zu ersetzen – durch einen dezentralen globalen Computer, der mit Web-Geschwindigkeit und unbegrenzter Kapazität auf einer Blockchain läuft.

Offen, sicher und vielfältig miteinander kombinierbar sollen die Internet-Services der Zukunft sein und so den großen Tech-Monopolen, Cloud-Anbietern und sozialen Netzwerken das Fürchten lehren. Mit dem sogenannten Genesis-Meilenstein ist nun die erste öffentliche Version des Internet-Computers an den Start gegangen. Auch der bisher nur frühen Investoren und Unterstützern zugängliche Krypto-Token ICP, der für die Governance und die Bezahlung der Web-Dienstleistungen verwendet wird, kann jetzt öffentlich erworben werden. Zwei Tage vor dem mit großem Tamtam inszenierten Launch-Event ist uns der gebürtige Brite Dominic Williams aus dem kalifornischen Palo Alto zugeschaltet, noch ohne Frühstück, aber relativ entspannt.

1E9: Wie kam es eigentlich zum Internet Computer?

Dominic Williams: Es hat eine Menge Anstrengungen gebraucht, weil Internet-Computer komplexe Biester sind. Aber am Anfang stand die Erkenntnis, dass Smart Contracts eine ganz neue Art von Software konstituieren, die sich grundlegend von traditioneller Software unterscheidet. Ich würde aber behaupten, dass sie ihr maßlos überlegen sind.

Nun gelten Smart Contracts nicht gerade als schnell. Das Internet hingegen lebt von Geschwindigkeit…

Dominic Williams: Smart Contracts waren schon immer sehr langsam und sie sind es bis heute. Und die Nutzer können nicht direkt mit ihnen über das Web interagieren. Außerdem sind sie ordentlich teuer und skalieren nicht. Ein Gigabyte Daten auf Ethereum kostet derzeit rund fünf Millionen Dollar. Die Anwendungsmöglichkeiten sind also sehr begrenzt. Die Frage war, was passiert, wenn wir diese Limitierungen entfernen.

Und was ist die Antwort?

Dominic Williams: Dass eigentlich alles mit Smart Contracts entwickelt werden sollte und wir nur eine riesige öffentliche Blockchain als Tech-Stack brauchen. Ich nenne das die Blockchain-Singularität. Sie wird es möglich machen, Systeme und Services von Grund auf neu zu konzipieren.

Wenn man die Natur der Software verändert, verändert man die Welt.

Dominic Williams, Dfinity-Foundation

Die Vision von Dfinity ist mehr als einen alternativen Tech-Stack zu bauen, hast du mal in einem Interview gesagt, es geht vielmehr um den Aufbau einer alternativen Welt…

Dominic Williams: Wir dürfen nicht vergessen, dass ein großer Teil der globalen Gesellschaft heute schon über Software läuft. Er läuft auf Informationssystemen, vom Finanzwesen bis hin zu sozialen Netzwerken wie Facebook. Wenn man also das Fundament verändert, verändert man das, was darüber entsteht. Und das ist der Grund, warum die Blockchain so aufregend ist – und der Internet-Computer potenziell so weitreichende Folgen haben kann.

Was macht der Internet-Computer anders?

Dominic Williams: Das Internet ist eine der größten Errungenschaften der Menschheit. Wir nehmen es als selbstverständlich hin, aber es ist ein technisches Wunderwerk und ein schillerndes Beispiel dafür, was eine gemeinsam genutzte öffentliche Infrastruktur leisten kann. Wenn man allerdings ein System oder einen Service dafür entwickelt, dann entwickelt man in einer rein privaten Infrastruktur. Und das wollen wir ändern. Am Anfang des Netzes spielte das alles noch keine große Rolle, aber jetzt sehen wir – zum Beispiel an den großen Cloud-Diensten –, wie in einer natürlichen Art von Konsolidierungsprozess diese riesigen Tech-Monopole entstanden sind, die als Kern ihres Geschäftsmodells die Daten der Nutzer kapern. Und das hat einiges davon zerstört, was das Internet so mächtig und aufregend gemacht hat. Der Internet-Computer soll das Netz dahingehend erweitern, dass nicht nur die Konnektivität öffentlich ist, sondern alles andere auch. In Zukunft werden die Menschen ihre Angebote direkt im Internet bauen, anstatt auf privaten Infrastrukturen, und sie werden Smart Contracts dazu verwenden.

Was sind denn die Vorteile von Smart Contracts?

Dominic Williams: Erstens laufen sie eben über ein öffentliches Netzwerk. Das ist schon einmal ziemlich genial, weil man nie mehr von all diesen traditionellen IT-Anbietern in proprietären Lösungen eingesperrt wird. Außerdem sind Smart Contracts manipulationssicher. Die zugrundeliegende Mathematik garantiert zu jeder Zeit, dass die richtigen Daten verwendet werden und die richtige Logik ausgeführt wird. Mit der heutigen IT kann man die Sicherheit der Systeme immer nur graduell verbessern, z.B. durch Firewalls und ständige Patches. Deshalb kommt es immer wieder zu so üblen Sicherheitsdesastern wie dem Solarwinds-Hack. Vielleicht wird es in den frühen Tagen des Internet-Computers auch ein paar technische Pannen geben, weil er so komplex ist, aber grundsätzlich ist er unaufhaltbar. Das Internet kann einem Atomschlag widerstehen und der Internet-Computer auch.

Die Netzwerkeffekte, die durch Smart Contracts entstehe, sind der absolute Wahnsinn.

Dominic Williams, Dfinity-Foundation

Und dann haben Smart Contracts noch einige subtile Eigenschaften, die aber vermutlich zu den tiefgreifendsten gehören: Jeder Smart Contract kann sich in jeden anderen Smart Contract einklinken. Sie verhalten sich so, als wären sie Teil desselben Softwaresystems. Das ist auch einer der Gründe, warum DeFi ein solches Wachstum auf der Ethereum-Blockchain erfährt. Jemand kann zum Beispiel ein dezentralisiertes Finanzsystem in einer bestimmten Form bauen, und eine andere Person kann es mit einem eigenen System erweitern. Smart Contracts existieren innerhalb eines nahtlosen Universums aus Code und Daten. Die Kosten, sie miteinander zu verschalten, sind faktisch null. Allein die Netzwerkeffekte, die dadurch entstehen, sind der absolute Wahnsinn.

Apropos „Wahnsinn“: Wir haben noch gar nicht über Krypto-Token gesprochen.

Dominic Williams: Das ist der letzte Punkt. Smart Contracts können komplett autonom laufen. Niemand kontrolliert oder betreibt sie allein. Und das ermöglicht den Einsatz von Token. Wir werden offene Internet-Dienste haben, die genauso autonom sind wie Bitcoin oder Ethereum und über tokenisierte Governance-Systeme verfügen. Das wird die Welt verändern.

Gib mal ein Beispiel!

Dominic Williams: Die Tokenisierung wird soziale Medien komplett umbauen. Facebook hat seine Nutzer bekanntlich zu seinem Produkt gemacht und eine Art Hamsterrad erschaffen, in dem man immer wieder auf Inhalte klickt, die man mag, und dann von Facebook mehr davon serviert bekommt, damit man möglichst lange bleibt. Der Zugang zu den Nutzern wird dann an Werbetreibende verkauft. In Zukunft aber wird der Nutzer ein Miteigentümer und ein Teil des Teams sein.

In einigen der experimentellen sozialen Medien, die wir auf dem Internet-Computer bisher gesehen haben, erhalten Moderatoren jeden Tag eine bestimmte Anzahl von Flags, die sie auf einen fragwürdigen Inhalt setzen können. Wenn genügend andere Moderatoren das Objekt ebenfalls markieren, wird es entfernt und sie werden dafür belohnt. Man kann also die Krypto-Ökonomie zu nutzen, um Menschen zu incentivieren, ihre Aufgaben korrekt auszuführen. Dann braucht man keine Vorstellungsgespräche mehr.

Anderes Beispiel: Wir könnten eine offene Version von Uber haben, die die Fahrer und Nutzer der ersten Stunde zu Eigentümern macht, indem es ihnen Governance-Token als Anreiz überlässt. So kann eine Art Schwungrad erschaffen werden, das dem Start-up den nötigen Schub verleiht. Auch der Internet-Computer hat übrigens ein tokenisiertes Governance-System, das wir „Network Nervous System“ getauft haben. Denn die Menschen wollen Transparenz, sie wollen sehen können, was los ist. Und nicht nur das: Die Menschen werden in der Lage sein, das Ökosystem selbst zu verbessern und zu erweitern – mit dem Ergebnis, dass wir auch viel mehr Innovation sehen werden.

Lass uns noch einmal zu DeFi zurückkommen, das ja derzeit als ernst zu nehmender Konkurrent des traditionellen Finanzsystems gehandelt wird…

Dominic Williams: Ich glaube, dass DeFi in zehn Jahren größer ist als das traditionelle Finanzwesen. Aber DeFi wird sich dann nicht nur um Dinge wie Kreditvergabe, Versicherungen, Hedging und klassischen Handel drehen. Das Finanzwesen wird mit den Systemen und Dienstleistungen von morgen verschmelzen und der Smart-Contract-Code wird Werte und die Identitäten der Akteure als Daten verarbeiten. Das sind gewaltige Veränderungen, die natürlich über Jahre hinweg stattfinden. Die ganze Branche ist ja noch ganz am Anfang und im Moment ein „wilder Westen“. Es ist ein bisschen wie in der Dotcom-Blase. Die Leute sehen das revolutionäre Potenzial und stürzen sich darauf, aber viele Dinge werden nicht funktionieren. Und dennoch gibt es diese zerstörerische Kreativität, aus der absolut bahnbrechenden Technologien entstehen werden.

Ich finde die neuen Geschäftsmodelle, die sich hier auftun, z.B. durch Mikrotransaktionen, die viele verschiedene Einkommensströme ermöglichen, ja sehr faszinierend. Andererseits frage mich aber auch, ob wir so nicht in einer eher dystopischen Welt landen, in der alles finanziell incentiviert werden muss, damit es funktioniert. Was wird aus dem Gefallen, den man aus reiner Freundlichkeit tut?

Dominic Williams: Das ist eine gute Frage. Zunächst einmal: Wir haben gesehen, dass Systeme wie der Kommunismus nicht funktionieren, weil sie den Menschen ihre Freiheiten nehmen und es nicht schaffen, die Ressourcen gut zu verteilen. Am Ende werden diese Systeme zu korrupten Autokratien, in denen man nur etwas erreicht, wenn man die Nähe zu den Mächtigen sucht. Große Unternehmens- und Finanzmonopole hingegen laufen am Ende auf das Gleiche hinaus. Ich finde es sehr wichtig, dass wir den Menschen Freiheiten geben, freie Märkte, in denen die Chancen breiter verteilt sind.

Nehmen wir mal ein Beispiel: Bisher war es immer schwierig, erfolgreiche Tech-Startups außerhalb des Silicon Valley aufzubauen, einfach weil es an Netzwerkeffekten und Zugang zu Finanzierung mangelt. Ich bin hier gerade in Palo Alto. Aber wie viel Prozent der weltweiten Technologietalente befinden sich tatsächlich im Silicon Valley und haben die erforderlichen Verbindungen? Ein winziger Bruchteil. Wenn du heute ein junges Computergenie in Lagos, Nigeria, bist oder ein Haufen Ingenieure im sibirischen Tomsk, kannst du keinen erfolgreichen Internetdienst für den Massenmarkt entwickeln. Du kriegst vielleicht nicht einmal ein Konto bei Amazon Web Services. Es gibt keine Risikokapitalgeber, und wenn es sie gibt, dann verstehen sie nichts von Technik.

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Der Internet-Computer wird es Menschen ermöglichen, von überall auf der Welt erfolgreich zu sein. Der Geek in Nigeria kann seinen Code auf einem alten Chromebook schreiben und ihn direkt ins Netz laden, um einen eigenen Service bereit zu stellen. Er kann einen Governance-Token vergeben, der womöglich an Wert gewinnt. Er kann finanzielle Mittel über das Internet einsammeln und sich mit anderen Entwicklern auf der ganzen Welt zusammenschließen, um gemeinsam ein Projekt erfolgreich zu machen. Das wird viel mehr kreative Talente ins Netz bringen.

Viele Menschen wollen den Kapitalismus ja gerade eher bremsen. Stattdessen zeichnet sich hier eine Art Hyperkapitalismus ab…

Dominic Williams: Ich halte „Kapitalismus“ für einen schwierigen Begriff, weil er viele verschiedene Konzepte und Visionen umfasst, wie die Welt aussehen sollte. Ich persönlich glaube, dass die Menschen ein Recht auf eine kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung haben sollten, aber ich glaube auch an freie Märkte. Und ich glaube nicht, dass Big Tech für einen Triumph der freien Märkte steht. Das Finanzsystem auch nicht. Der Internet-Computer führt tatsächlich eine neue Dynamik ein. Er nutzt die freien Märkte, um Innovation und Wachstum voranzutreiben, aber er schafft auch eine neue Vielfalt und demokratisiert die Zugänge zum Netz.

Wie wird sich die Rolle des Staates in einer Welt verändern, in der der Internet-Computer überall ist? Kann er das Netz noch in irgendeiner Form kontrollieren?

Dominic Williams: Der Internet-Computer schützt in der Tat die Privatsphäre seiner Nutzer. Das ist anders als bei der traditionellen Blockchain, wo alle Daten irgendwie öffentlich sind. Natürlich haben da manche Leute Bedenken. Aber jede Technologie ist nun mal anfällig für Missbrauch. Ein Auto kann von einem betrunkenen Fahrer gefahren werden, mit einem Mobiltelefon kann man auch einen Sprengsatz zünden. Man muss die positiven und negativen Aspekte immer gegeneinander abwägen. Das Internet treibt den sozialen Wandel auf der ganzen Welt voran. Da ist es einfach ein großer Vorteil, wenn die Infrastruktur nicht nur von einigen wenigen Konzernen kontrolliert wird. Ich glaube, dass sich am Ende schon alles irgendwie ausbalanciert.


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Titelbild: Dfinity-Foundation

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Das gefällt mir sehr gut und damit kann ich mich identifizieren. Zuvor wurde etwas dick aufgetragen mit Bilder wie „Atombomben überleben“ etc.

Wenn es wirklich so leicht geht Applikationen zu entwickeln und online verfügbar zu machen und eine Community dahinter zu involvieren, dann fände ich es ziemlich aufregend ein 1E9 Experiment auf so einer Infrastruktur zu machen.

Ist es wirklich so leicht? Wie bestimmt man was diese Governance Token leisten sollen und wie testen man die Dynamiken vorab, oder kann man die Regeln im Betrieb ändern?

Es klingt auch so, als ob der „Internet-Computer“ super für öffentlich, administrative Aufgaben und Automatisierung geeignet wäre. Kann mir gar nicht vorstellen was passieren würde, wenn in der öffentlichen Verwaltung auf einmal Innovations-Netzwerkeffekte am Werken sind :joy:

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Grundsätzlich finde ich die Idee eines dezentralen Internets, das nicht von Monopolisten beherrscht wird, hervorragend. Deshalb hoffe ich sehr, dass die Entwicklung des Internet-Computers gute Fortschritte macht.

Aber – wie bei sehr vielen Blockchain-(oder auch KI-)-Projekten – finde ich es immer etwas beängstigend, wie scheinbar lockerflockig über mögliche Probleme hinweggegangen wird. „So nach dem Motto: Jetzt stellen wir das Ding erstmal hin und dann finden wir schon Lösungen.“ Die Vergangenheit lehrt uns ja, wie gut das bei allem, was mit Internet zu tun hat, funktioniert hat.

Hier ein paar Beispiele:

Wenn ein Nebeneffekt dieses schönen neuen Internet sein sollte, dass es zum Paradies für organisierte Kriminalität, illegalen Handel, Terrorfinanzierung und Steuervermeidung im gigantischen Stil werden könnte, weil es vor jeglichem staatlichen Zugriff schützt, wäre das nicht gerade der Hit. Da würde ich gerne vorher wissen, wie solche Probleme angegangen werden.

Das klingt einerseits cool, andererseits erinnert es sehr an die längst übliche Klickarbeit… Hey, lasst uns lästige Arbeit einfach an die Crowd auslagern, die dafür mit Centbeträgen, die zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel sind, „belohnt“ wird. Mit dem hübschen Nebeneffekt, dass niemand die Verantwortung übernehmen muss, wenn was schief läuft. Schließlich ist ja die Crowd verantwortlich. Konstrukte, bei denen am Ende – vereinfacht gesagt – niemand seinen Kopf hinhalten muss, falls es so gar nichts wird, können ordentlich schief gehen, oder?

Und letzter Punkt: Wenn nur eine ausgewählte Gruppe von Usern Governance-Token bekommt, wo liegt dann die Demokratisierung? Gibt es dann nicht eine herrschende Klasse in solchen Organisationen?

Nur ein paar Fragen, die es aus meiner Sicht noch zu beantworten gilt, bevor man so ein Ding im großen Stil hochzieht…

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Das Paradies für Geldwäsche, illegalen Handel etc. dürfte derzeit das Bargeld-System sein, das Paradies für z.B. Kindermissbrauch sind vermutlich private Immobilien. Ich finde es zu viel verlangt, von Start-ups Lösungen von Problemen zu verlangen, die wir nicht mal im Ansatz in der analogen Welt lösen können. Zumal das alles in einer vernetzten Welt stattfindet, die sich über viele Jurisdiktionen, Kulturräume und Mentalitäten hinweg erstreckt. Und der Geist der End-zu-End-Verschlüsselung ist doch längst aus der Flasche. Wie sieht die dunkle Seite von Threema oder Protonmail derzeit aus? Keiner weiß es. Hier sollte man m.E. zunächst die Politik befragen (auch wenn ich persönlich glaube, dass die sich am Thema ‚Kryptographie im Netz‘ die Zähne ausbeißen wird. Wenn nicht, landen wir vermutlich in einem ziemlich unschönen Überwachungsstaat.)

Und wie ist es jetzt? Leute verlieren z.T. völlig ohne Erklärungen Zugang zu ihren Daten und Accounts. Wer nach welchen Maßstäben Content moderiert, bleibt meist völlig opaque. Da scheint mir ein solches System, wenn es transparent für die Community gebaut ist, eine bessere Lösung zu sein. Keine perfekte, aber eine bessere.

Denke auch, dass der „Proof of Stake“-Konsensus noch viel zu selten in „Oligarchie“ übersetzt wird. Andererseits: Anders als in physischen Oligarchien, aus denen man viel schlechter raus kommt, kann man in der digitalen Welt leicht mit dem Fuß abstimmen, sich selber was Besseres bauen oder einen Shitstorm anzetteln. Eine Demokratisierung wäre also zunächst durch einen erleichterten Zugang erreicht. Durch weitere Komponenten wie „Proof of Humanity“ bzw. das Thema „Stabile digitale Identität“ geht dann sicher noch mehr…

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Ich glaube genau das ist der Ansatz der wichtig ist. Bei solch komplexen technischen System kann man vorab nicht jedes Problem erdenken. Es gibt extrem viele unbekannte Unbekannte. Was damit letztlich gemacht wird entscheidet die Masse an Menschen, die über dieses Netzwerksystem miteinander interagieren und mit dem Netzwerk selbst in Feedback stehen.

Keiner versteht welche Dynamiken auf diesem Level entstehen und wohin genau sie führen.

Wichtiger als sich vorab über möglichst viel, aber dann doch zu wenig, Gedanken zu machen, ist es eher einen „Algorithmus“ oder ein „Protokoll“ (gar nicht nur technische, sondern hinsichtlich allg. einer Vorgehensweise) zu haben, wie man mit solchen negativen / positiven Dingen dann umgehen könnte. Wo können wir verstärkendes Feedback und wo dämpfendes Feedback einführen, um große Netzwerkdynamiken einigermaßen zu regeln. Was dürfen wir dafür messen und was nicht.

Gedanken auf diesem systemischen, abstrakten Level wären wichtiger als sich über konkrete Problemszenarien den Kopf zu zerbrechen.

Wie ich es verstehe kann über dieses Voting system Einfluss genommen werden. Dass muss jetzt noch „sinnvoll“ sein. Was bei demokratischen Prozessen ja oftmals nicht unbedingt der Fall ist. Aber vielleicht entwickeln wir uns hierüber auch weiter.

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