Nach dem gefloppten Verkaufsstart der Augmented-Reality-Brille Magic Leap One schien es, als würde das einst gefeierte Start-up Magic Leap nicht überleben. Doch es hat erneut Hunderte von Millionen eingesammelt, um sich nun neu zu erfinden. Die kommende AR-Brille Magic Leap 2 ist daher vorerst nur für Industrie- und Gewerbekunden gedacht.
Von Michael Förtsch
Es war ein grandioser Aufstieg und ein tiefer Fall. Das Start-up Magic Leap hatte es von Mitte bis Ende der 2010er Jahre geschafft, einen riesigen Hype aufzubauen. Vor allem mit seiner Geheimnistuerei. Denn keiner wusste so recht, woran das Unternehmen arbeitete, das gleichzeitig ganze drei Milliarden US-Dollar an Investorengeldern einsammelte. Nach und nach sickerten jedoch Infos an die Öffentlichkeit, dass das Unternehmen aus Dania Beach, Florida an einer revolutionären Augmented-Reality-Brille arbeite, die die echte mit einer virtuellen Realität verschmelzen könne. Als die Brille Magic Leap One dann 2018 erschien, war der Zauber für viele dahin. Zwar war die Technik imposant, aber weit weg von dem, was sich viele als Augmented Reality vorstellten. Dazu war sie teuer, überraschend klobig und es fehlten Anwendungen, die sie zu einem Muss gemacht hätten.
In den ersten sechs Monaten nach dem Verkaufsstart wurden lediglich 6.000 der Brillen verkauft. Es wurde daher schnell das Ende von Magic Leap prophezeit. Tatsächlich wurde von den Magic-Leap-Managern nach einem Käufer für das angeschlagene Unternehmen gesucht, aber keiner gefunden. Gespräche mit Facebook und sogar dem Medizin-Giganten Johnson & Johnson verliefen ohne Ergebnis – unter anderem, weil Magic Leap zehn Milliarden US-Dollar als Kaufpreis aufgerufen habe. Aber offenkundig hat es Magic Leap auch ohne Käufer geschafft, zu überleben – und sogar ganze 500 Millionen US-Dollar von neuen Investoren eingesammelt. Und zwar, um mit einer weiteren Brille einen neuen Anlauf zu starten.
Am Montagabend hat das Unternehmen die Magic Leap 2 angekündigt. Sie soll im kommenden Jahr erscheinen und in vielerlei Hinsicht die Fehler des Originals wettmachen. Unter anderem soll sie leichter sein, ein deutlich größeres Sichtfeld bieten, in dem die virtuellen Inhalte eingeblendet werden. Ebenso sollen sich die Einblendungen der digitalen Objekte abschwächen oder verstärken lassen. Ganz anders als das Original soll diese Brille aber nicht für Spiele und AR-Erlebnisse gemacht sein, sondern für Industrie-, Gewerbe- und Forschungsanwendungen.
Lizenzen für Games-Entwickler nicht ausgeschlossen
Erste Vorserien-Exemplare der Magic Leap 2 sollen schon bei mehreren Firmen genutzt werden. Ob Magic Leap dauerhaft auf Industrieanwendungen fokussiert bleibt, das ist unsicher. Laut der seit Juli 2020 eingestellten Chefin Peggy Johnson, die den Gründer Rony Abovitz ersetzt hat, sei das Kerngeschäft zumindest vorerst der Markt der „enterprise solutions“. Also AR-Brillen und entsprechende Apps, die genutzt werden können, um virtuell Motoren zu zerlegen, die Molekülketten von Medikamenten zu studieren, Gebäude zu planen oder Lack- und Verarbeitungsfehler bei Fahrzeugen und anderen Produkten zu protokollieren. Das Unternehmen Heru arbeite zudem gerade daran, Augenuntersuchungen mittels Magic Leap möglich zu machen.
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Jetzt Mitglied werden!Laut Peggy Johnson ist Magic Leap dahingehend auch mit Unternehmen wie Google, Nvidia, PTC und VMWare eine Partnerschaft eingegangen. Allerdings sei „anhaltendes Interesse aus dem Endkundenbereich“ vorhanden und durchaus groß. Es gäbe unter anderem Anfragen von verschiedenen Firmen, die Technologie von Magic Leap zu lizenzieren, um beispielsweise eigene Brillen zu entwickeln, die auf Games zugeschnitten sind. Und Magic Leap erwäge „diese Möglichkeiten aktiv [zu] verfolgen“, wenn es denn sinnig und lohnend erscheint.
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