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10. April 2025

Wie ein „globaler Opportunist“ Leuten, die hohe Steuern satt haben, beim Auswandern hilft

Seit zehn Jahren reist Pavol Lupták als digitaler Nomade um die Welt – und sammelt dabei Staatsangehörigkeiten, Offshore-Bankkonten und Führerscheine.

Seit zehn Jahren reist Pavol Lupták als digitaler Nomade um die Welt – und sammelt dabei Staatsangehörigkeiten, Offshore-Bankkonten und Führerscheine. Er betreibt eine Reiseagentur für Leute, die aus dem System aussteigen und ein Leben ohne Abgaben und Steuern führen wollen. Und sein Geschäft floriert.


Ein Interview von Krischan Lehmann


Kurz vor seinem Flug nach Panama macht Pavol Lupták noch schnell ein Selfie in der Flughafen-Lounge. Wie immer reist er nur mit Handgepäck, obwohl er etliche Monate in Lateinamerika bleiben wird. Seine Ausrüstung – da kommt der IT-Experte in ihm durch – ist das Ergebnis jahrelanger akribischer Optimierung: Spezielle Kleidung aus Japan für maximale Leichtigkeit bei minimalem Volumen, faltbare Barfußschuhe und ausschließlich USB-C-Geräte, damit er nur ein Kabel braucht. Er reist mit zwei Brillen, zwei Smartphones, die er wechselnd auflädt, und zwei Pässen. Außerdem im Gepäck: Ein polizeiliches Führungszeugnis auf Spanisch und seine Geburtsurkunde – für den Fall, dass er sich spontan entscheidet, in einem der Länder, die er besuchen will, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Falls er dort nicht schon längst eine hat.


Der „globale Opportunist


Denn die Welt ist für Pavol Lupták inzwischen zu einer Art Spielplatz geworden. Er hat sie in den letzten zehn Jahren etliche Male umreist, dabei 42 Länder und über 120 Städte besucht. Der gebürtige Slovake und selbsternannte „globale Opportunist“ sieht sich als Vorhut eines neuen Weltbürgertums. Er besitzt ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Panama, Paraguay und Uruguay sowie E-Residenzen in Estland und Palau. Seine Steuern zahlt er (nicht, dazu später) in Paraguay, seine Start-ups sind in Wyoming/USA und der Slowakei angesiedelt. Er liebt es, der Staatsgewalt Schnippchen zu schlagen und von einem regulatorischen Schlupfloch ins nächste zu hüpfen. Denn sein eigentlicher Gegenspieler ist der moderne Nationalstaat an sich.


„Freiheit ist das Wichtigste im Leben für mich.“ Pavol Luptak

Als Mitglied des Künstlerkollektivs Ztohoven hob Lupták in Prag den Hackerspace Paralelní Polis aus der Taufe, der als Experimentierfeld für eine staatsfreie Gesellschaft dienen sollte. Dies ging auf die Idee des tschechoslowakischen Dissidenten Václav Benda aus den 1970er Jahren zurück, der parallele Strukturen als wichtiges Mittel gegen totalitäre kommunistische Regime begriff.


Hier treffen sich Digitalnomaden aus der ganzen Welt auf einen Kaffee, den sie mit Bitcoin bezahlen: Der Hackerspace Paralelní Polis in Prag.
Hier treffen sich Digitalnomaden aus der ganzen Welt auf einen Kaffee, den sie mit Bitcoin bezahlen: Der Hackerspace Paralelní Polis in Prag. Bild: Bernhard Lermann

Seit seiner Gründung 2014 ist Paralelní Polis zu einem wichtigen Bezugspunkt für sogenannte Kryptoanarchisten und Digitalnomaden aus der ganzen Welt geworden. Im angegliederten Café kann nur mit Bitcoin oder anderen Kryptowährungen bezahlt werden. Herkömmliches Fiat-Geld wie der Euro oder die tschechische Krone haben hier keinen Wert.


Dieses „Nur Krypto“-Prinzip gilt auch für Luptáks aktuelles Start-up Liberation.Travel, eine Reiseagentur, die ihren Kunden dabei helfen will, „aus dem System auszusteigen“ und ein freieres Leben jenseits traditioneller staatlicher Strukturen zu führen. Gerade bei jüngeren Menschen, die in inhärent grenzenlosen digitalen Welten einen Großteil ihrer Zeit verbringen, trifft er damit einen Nerv. Die Zahl der digitalen Nomaden, also von Leuten, die über das Internet arbeiten und dies von unterschiedlichen Orten der Welt aus tun, wird mittlerweile auf 50 Millionen geschätzt – besonders nach der Corona-Pandemie mit stark steigender Tendenz.


Luptáks Ansichten polarisieren, vergleicht er das System aus Steuern und Sozialabgaben, wie es europäische Staaten haben, doch mit Sklaverei. Das macht ein Gespräch mit ihm aber umso interessanter.


1E9: Liberation Travel klingt ja nach viel mehr als nur einer Reiseagentur. Was war die ursprüngliche Idee hinter der Gründung?


Pavol Lupták: Es ist in erster Linie eine Befreiungsagentur! Die Mission von Liberation Travel ist es, die Kosten für einen Ausstieg zu reduzieren, damit sich möglichst viele Menschen, für die wirtschaftliche und persönliche Freiheit wichtig ist, einen solchen auch leisten können. Wir glauben an die Kraft des ‚Opt-out‘ als Lösung, um Unterdrückung zu minimieren. Und wir sind gerne dabei behilflich, euch dahin zu bringen, wo ihr einfach besser behandelt werdet.


1E9: In Deutschland verlassen derzeit jährlich über 200.000 hochqualifizierte Menschen das Land. Wieviele davon klopfen bei dir an? Und was ist deiner Meinung nach der Grund dafür?


Pavol Lupták: Wir bedienen ja den ganzen mitteleuropäischen Markt, haben aber viele deutsche Kunden. Und die wollen besonders oft nach Paraguay oder Uruguay. Das sind zum einen Steueremigranten – also diejenigen, die vor der Steuer- und Regulierungshölle in Deutschland und der ganzen EU in Länder fliehen, wo sie nicht die Hälfte des Jahres für den Staat arbeiten müssen. Sie machen den Großteil der Auswanderer aus. Aber während der Pandemie hatten wir auch viele Impfgegner als Kunden, die nach Paraguay, vor allem in die deutschsprachige Community El Paraíso Verde geflohen sind, um der Impfpflicht zu entgehen. Und es kommen viele Leute zu uns, die nach traditionellen christlichen und konservativen Werten suchen, wie es sie in Deutschland vor über 100 Jahren gab. Auch sie werden meist in Paraguay fündig. Und auch das ist eine Gruppe, die wächst.


1E9: Das sind vermutlich nicht eure typischen Zielgruppen...


Pavol Lupták:  Das stimmt. Wir konzentrieren uns auf Krypto-Leute. Deshalb sind etwa 95% unserer Kunden Menschen, die sich mit Kryptowährungen auskennen und sie auch im Alltag nutzen wollen. Als Unternehmen haben wir kein Bankkonto und wollen auch keines mehr haben. Alle Kunden – rund 1000 Personen bisher – bezahlen uns in Kryptowährungen. Das sind grundsätzlich freiheitlich denkende Menschen, Libertäre, Anarchisten, Bitcoiner und Krypto-Trader, aber auch Leute aus der IT.


1E9: Und wie läuft so ein Befreiungstrip dann normalerweise ab?


Pavol Lupták:  Die Reise sieht so aus, dass man zunächst mit uns in eines von den angebotenen Ländern fliegt – Paraguay, Uruguay oder Panama. Dort kümmern wir uns dann innerhalb von drei bis sieben Tagen um eine vorübergehende oder dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, einen nationalen Personalausweis, die sogenannte Cédula de identidad, einen Führerschein, eine Anmeldung beim Finanzamt, einen Adressnachweis und um alle anderen notwendigen Einwanderungsdokumente.


Unsere All-inclusive-Pakete beinhalten Business-Class-Flüge, die Unterkunft in einem 5-Sterne-Hotel und Ausflüge im Land. Außerdem vernetzen wir die Leute mit den schon relativ großen lokalen Communitys, die wir über die Jahre aufgebaut haben – vor allem in Paraguay. Und wir erklären den Kunden, wie man ein lokales Bankkonto eröffnet, eine SIM-Karte kauft und an eine Immobilie kommt. Es ist also ein Rundum-Service für Leute, die ein völlig neues Leben in einem anderen Land beginnen wollen.


Oh, wie schön ist Panama!


1E9: Was zeichnet diese Länder denn aus?


Pavol Lupták:  Paraguay ist die simpelste Steuerresidenz der Welt, denn es wird nur Einkommen versteuert, das aus dem Inland stammt, und man muss nicht dauerhaft im Land leben, um als steuerlich ansässig zu gelten. Das ist ideal für digitale Nomaden. Uruguay ist aus meiner Sicht das liberalste und politisch stabilste Land der Welt, mit einem hohem Lebensstandard und der Möglichkeit, mit nur einem Besuch eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Das ist ideal für ältere Menschen, die ein entspanntes Leben führen wollen. Und Panama ist ein besonders krypto-freundliches Land für Menschen, die in Lateinamerika Geschäfte machen und eine Bleibe in einem guten internationalen Hub haben wollen.


1E9: Und was sind deiner Erfahrung nach die größten Herausforderungen für Menschen, die einen solchen Schritt gehen?


Pavol Lupták:  Dass sie in eine Welt kommen, die ganz anders ist als das, was sie aus Europa gewohnt sind. Manche Sachen funktionieren wesentlich schlechter, andere viel besser. Aber in Summe ist alles viel freier als in der EU – ohne die sinnlose Bürokratie, die die meisten inzwischen als völlig normal empfinden. Viele meiner Kunden fühlen sich ziemlich seltsam, wenn sie als Steueransässige von Paraguay oder Panama plötzlich auf ihr im Ausland verdientes Geld keine Steuern mehr zahlen müssen. Sie müssen ja nicht einmal mehr Buch darüber führen! An Freiheit, besonders die finanzielle Freiheit, muss man sich wirklich erst gewöhnen.


Pavol Lupták mit leichtem Gepäck in einer Flughafen-Lounge auf dem Weg nach Lateinamerika.
Auf Minimalismus optimiert: Pavol Lupták mit leichtem Gepäck in einer Flughafen-Lounge auf dem Weg nach Lateinamerika. Sein Ziel war es, innerhalb von 30 Minuten packen und aufbrechen zu können. Oberste Regel: Was er nicht benutzt, nimmt er nicht mit.

1E9: Bezahlen kann man bei euch nur mit Kryptowährungen wie Bitcoin oder Monero. Glaubst du, dass diese Technologien in Zukunft noch stärker dazu beitragen, dass sich physische Grenzen auflösen und die Leute mobiler werden?


Pavol Lupták:  Das hoffe ich sehr. Krypto bringt internationale Offshore-Geschäfte auf ein ganz neues Level. Es ist ziemlich trivial, irgendwo auf der Welt ein Business zu eröffnen, aber viel schwieriger für dieses Unternehmen ein Bankkonto zu kriegen. Ein gutes Bankkonto für ein Unternehmen in Panama oder auf den Seychellen zu bekommen zum Beispiel ist nahezu unmöglich. Aber wenn man mit Kryptowährungen operiert, hat man dieses Problem nicht und kann alle Offshore-Möglichkeiten, die die Welt zu bieten hat, voll ausschöpfen.


1E9: Für den Ottonormalbürger sind Kryptowährungen immer noch schwer zu handhaben und viele Leute verwurzeln sich in ihrer Heimat stark. Wird dein Lifestyle immer etwas elitär und in der Nische bleiben?


Pavol Lupták:  Ich bewege mich natürlich in einer Krypto-Blase. Alle meine Freunde und näheren Bekannte sind bereits gut mit Steuerresidenzen, Offshore-Unternehmen und internationalen Bankkonten ausgestattet. Aber ich glaube, dass dieser Trend auch im Mainstream ankommen wird. Wir werden gerade immer häufiger von völlig normalen Menschen kontaktiert, die einfach nicht die Hälfte ihres Einkommens an den Staat zahlen wollen und wieder frei atmen möchten.


1E9: Du verstehst dich als „globalen Opportunisten“ – ein Begriff, der für viele vermutlich eher negativ klingt, nämlich nach Leuten, die ohne Rücksicht auf Moral Vorteile für sich ausnutzen. Findest du es gerechtfertigt, eine Art „Trittbrettfahrer“ in einer Welt von Nationalstaaten zu sein, die auf Steuer- und Solidarsysteme angewiesen sind?


Pavol Lupták:  Ich weiß nicht, ob es ein negativer Begriff ist. Es regt auf jeden Fall zum Nachdenken an – und genau das war mein Ziel. Ich finde es ziemlich widersprüchlich, wenn mich jemand einen „Trittbrettfahrer“ in Systemen nennt, die auf Zwang und Vollstreckung aufgebaut sind und in denen man gegen seinen Willen Steuern, Gesundheits- und Sozialbeiträge zahlen muss. Und es erscheint mir ziemlich paradox, von Solidarität zu sprechen, wenn es eigentlich um den Einzug von Ressourcen unter Androhung von Gewalt geht.


Jede Solidarität ist nur dann sinnvoll, wenn sie freiwillig ist. Deshalb sollten die Menschen alle legalen Mittel nutzen, um Steuern und Abgaben zu vermeiden. Mal den Spieß rumgedreht: Ich halte es für unmoralisch, weiterhin Steuern zu zahlen und einen gewalttätigen Staat zu unterstützen, wenn man es auf legale Weise verhindern kann. Darüber habe ich auch mal einen Text geschrieben.


1E9: Aber der Mensch ist nun mal nicht nur ein Individuum, sondern auch ein soziales Wesen und schon qua Geburt, Teil von etwas Größerem...


Pavol Lupták: Wenn du in der Sklaverei aufwächst und es schaffst zu entkommen, bist du sicherlich kein „Trittbrettfahrer“. Und es wäre absurd, dich zu beschuldigen, dass die restlichen Sklaven nun wegen dir härter arbeiten müssen. Du hast immer das Recht, eine Beziehung zu verlassen, die auf Unfreiwilligkeit beruht. Dabei ist es irrelevant, ob der Sklavenhalter dir etwas geschenkt hat. In einer Sklavengesellschaft bekamen die Sklaven Essen, etwas zu trinken und hatten freien Wohnraum. Das heißt aber nicht, dass sie ihren Besitzern dankbar sein mussten, und kein Recht hatten, ihm davonzulaufen.


1E9: Wie sehen denn nun deine weiteren Pläne aus?


Pavol Lupták: Im Moment arbeite ich daran, Non-CRS-Konten in Kirgisistan, Kambodscha und Serbien zu eröffnen und als Lösung für unsere Kunden anzubieten. CRS steht für Common Reporting Standard. Das sind also Konten, über die keine Daten automatisch an ausländische Steuerbehörden gemeldet werden. Und noch in diesem Jahr will ich mir eine Aufenthaltserlaubnis in Argentinien, Mexiko und auf den Philippinen besorgen.



Krischan Lehmann

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Cooler Artikel!

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Kommentare (2)

Ich lese das und merke, wie sehr sich unsere Vorstellungen von Freiheit unterscheiden. Für mich heißt Freiheit nicht Entkopplung, sondern Beziehung. Nicht Flucht vor Verantwortung, sondern ein Dasein in Verbindung– mit mir selbst, mit anderen, mit meinem Lebensraum.

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Tönt interessant, falls man sich wie ich kinderfrei durchs Leben bewegt, sonst stellen sich bald Fragen. Ich hoffe, dass seine Kunden auch Spanisch lernen, die Blase der nur englisch sprechenden Expats ist gross, und es wäre ja auch schön etwas in die neue Heimat einzutauchen. Herrliche Länder mit wundervollen Menschen in ganz Lateinamerika! Und trotzdem verbringe ich meinen Lebensabend in den Bergen der Schweiz.

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