14. März 2025
Wegen Autokrise und Aufrüstung: Deutschlands Zukunft liegt in der Robotik

Die deutsche Leitindustrie steckt in der Krise. Gleichzeitig will die nächste Bundesregierung militärisch aufrüsten. Mit der richtigen Strategie und einem Fokus auf Robotik, KI, modernen Maschinenbau und dezentrale, flexible Produktion könnten beide Herausforderungen gleichzeitig gemeistert werden, schreibt Rafaela Kraus, Professorin an der Universität der Bundeswehr. Die Voraussetzungen dafür habe Deutschland. Doch die Zeit läuft.
Ein Gastbeitrag von Rafaela Kraus
Deutschland steht am Scheideweg. Das traditionelle Zugpferd der deutschen Industrie, die Automobilindustrie, lahmt. Gleichzeitig wächst der Bedarf an innovativen Lösungen im Verteidigungssektor – ein Bereich, den Europa dringend benötigt, um seine technologische und geopolitische Souveränität zurückzugewinnen. Diese beiden Herausforderungen könnten in einer gemeinsamen Strategie gelöst werden: durch die Fokussierung auf Dual-Use-Technologien, Robotik und Advanced Manufacturing.
Die Herausforderungen in Automobilindustrie und Verteidigung
Die Automobilindustrie, einst Deutschlands Stolz und wirtschaftliche Grundlage, erlebt einen dramatischen Wandel. Elektrifizierung, sinkende Margen und der globale Wettbewerb haben die Gewinnpotenziale stark reduziert. Die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektroantriebe erzwingt hohe Investitionen und birgt Risiken für Beschäftigung und Zulieferer.
Studien zeigen, dass traditionelle Hersteller mit Elektroautos häufig (noch) keine Gewinne erzielen; um Margen zu sichern, setzen viele auf hochpreisige Fahrzeugsegmente. Gleichzeitig drängen neue Konkurrenten – vor allem aus China – auf den Markt, was einen Preis- und Margendruck erzeugt. Diese „Konditionen eines Commodity-Marktes“ bedeuten intensiven Preiswettbewerb und erschweren Differenzierung. Batterien werden günstiger, Motoren zunehmend standardisiert, und der Produktionsfokus verlagert sich in Länder mit besseren Rohstoffzugängen. Damit verliert Deutschland einen zentralen Industriezweig, der jahrzehntelang Innovation und Wohlstand ermöglicht hat.
Insgesamt befindet sich die Branche in einer multidimensionalen Transformation, geprägt von Elektromobilität, autonomem Fahren und veränderten Kundenanforderungen. Elektromobilität gilt als „disruptiver Umbruch“, der ohne eine „just transition“, einen sozialverträglichen Übergang, gravierende Jobverluste in traditionellen Regionen verursachen könnte. Ein „weiter so“ ist also nicht möglich – deutsche Hersteller und Zulieferer stehen unter Druck, ihr Portfolio binnen kurzer Zeit neu auszurichten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Im Verteidigungsbereich sehen wir das Gegenteil: einen rasant steigenden Bedarf an technologischen Innovationen und Produktionskapazitäten. Moderne Kriegsführung erfordert hochkomplexe, schnell einsetzbare Systeme, die jedoch kurzen Innovationszyklen unterliegen.
Von General James Mattis stammt das treffende Zitat: „The enemy will always move faster than our bureaucracy“, also sinngemäß „Der Feind wird immer schneller sein als unsere Bürokratie“. Der Ukraine-Konflikt zeigt, dass Systeme oft schon nach wenigen Wochen oder Monaten veraltet sind. Um langfristig verteidigungsfähig zu bleiben, muss die europäische Verteidigung daher weniger auf langfristige Planung, Beschaffung und Lagerhaltung als auf flexible und skalierbare Produktionskapazitäten setzen.
„Pläne sind wertlos, aber Planung ist alles.“ - General Dwight D. Eisenhower
Akribische und starre Pläne haben in der Verteidigung schon früher nicht funktioniert – und heute tun sie das noch weniger. Anpassungsfähige und resiliente Strukturen sind daher notwendig, um für künftige, heute kaum planbare Herausforderungen gewappnet zu sein.
Die Lösung: Robotik und Advanced Manufacturing
Die Brücke zwischen diesen beiden Herausforderungen liegt in der Robotik – DER Schlüsselindustrie der Zukunft. Fortschritte in Robotik und Künstlicher Intelligenz und vor allem die technologische Konvergenz verschiedener Technologieplattformen machen Roboter zu Game Changern in Wirtschaft und Militär. KI-gestützte Sensorik und Steuerung verleihen Robotern zunehmend Autonomie und Vielseitigkeit. So haben jüngste Durchbrüche bei KI – inklusive generativer KI – dazu geführt, dass humanoide Roboter immer schneller „trainiert“ werden und komplexere Interaktionen bewältigen können.
Anstatt dass buchstäblich jeder Handgriff programmiert werden muss, lernen Roboter mittels KI-Algorithmen und Reinforcement Learning, ähnlich wie Menschen selbstständig neue Aufgaben. Dies beschleunigt die Evolution der Robotik – es entstehen multifunktionale Roboterplattformen, die sich flexibel auf verschiedene Einsatzbereiche einstellen lassen.
Humanoide Roboter stehen exemplarisch für diesen Trend: Sie kombinieren Fortschritte in Mechanik, Leistungselektronik, Sensorik und KI, um in Umgebungen zu agieren, die ursprünglich für Menschen gestaltet sind. Ein umfassender Review gibt einen Ausblick, dass humanoide Systeme künftig durch bionisch inspirierte Ansätze, bessere Materialien, effizientere Antriebe und Energiespeicher sogar noch leistungsfähiger werden könnten.
„Humanoide werden verschiedene Branchen revolutionieren, von Tätigkeiten in Unternehmen (mehr als 3 Milliarden Menschen) über die Unterstützung einzelner Personen im Haushalt (mehr als 2 Milliarden) bis hin zur Pflege älterer Menschen (~1 Milliarde) und zum Aufbau neuer Welten auf anderen Planeten.“ – aus dem Masterplan des Unternehmens Figure One
Herausforderungen bestehen derzeit u. a. noch in der zuverlässigen Nachbildung menschlicher Bewegungsabläufe und in langlebigeren Energiesystemen. Im militärischen Kontext sind Roboter jedoch bereits heute vielseitig im Einsatz – von unbemannten Bodenfahrzeugen und Drohnen bis zu robotischen Exoskeletten. Künftig könnten fortgeschrittene humanoide oder semi-humanoide Roboter logistische Aufgaben übernehmen oder als „Roboterkameraden“ Soldaten unterstützen.
Im militärischen Bereich werden Roboter zunehmend eingesetzt, um schmutzige (Dirty), gefährliche (Dangerous), monotone (Dull) und personalintensive (Dearth) Aufgaben zu übernehmen. Roboter können in kontaminierten, z.B. radioaktiven Umgebungen arbeiten. In Form von luft- oder landbasierten Drohnen führen sie bereits jetzt Aufklärungsmissionen in feindlichem Gebiet durch oder sichern gefährliche Einsatzgebiete ab. Systeme wie autonome Wachroboter oder KI-gestützte Sensorplattformen übernehmen Überwachungsaufgaben, bei denen Menschen ermüden und Fehler machen. Und in Zeiten von Personalmangel oder hohen Rekrutierungshürden können autonome Fahrzeuge den Personalkörper entlasten, indem sie Transport- oder Logistikeinsätze durchführen.
Die Dual-Use-Natur der Robotik – das heißt, die Fähigkeit sowohl zivile als auch militärische Anwendungen zu ermöglichen – ist jedoch offensichtlich: Industrielle Service-Robotik und Militärrobotik profitieren z.B. gleichermaßen von KI, robusten Sensoren und immer stärkerer Rechenleistung. China investiert bereits massiv in humanoide Robotik, mit dem erklärten Ziel, sowohl die eigene Industrie zu modernisieren, dem demographischen Wandel zu begegnen, aber auch militärisch nutzbare Roboter zu entwickeln.
Multipurpose Roboter werden in vielen Branchen unerlässlich sein, um die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft zu bewältigen, von der im Übrigen die Verteidigung besonders stark betroffen ist. Westliche Staaten verfolgen ähnliche Ansätze, indem sie zivile Robotik-Innovationen für Verteidigungszwecke adaptieren. Wenn man Elon Musk glauben will, wird Tesla humanoide Roboter noch in diesem Jahr für den Masseneinsatz bereitstellen – „Humanoid robots will be bigger than the car business.“ (Elon Musk, 2022).
Nicht umsonst gilt die Robotik daher als „Schlüsseltechnologie“: Sie ermöglicht in fast allen Sektoren Transformation – von der flexiblen Fertigung (Stichwort Industrie 4.0) über Medizin und Pflege, Logistik und Mobilität bis hin zur Überwachung. Bei immer kostengünstigerer und breiterer Verfügbarkeit von KI-Technologien ist zu beobachten, dass sich das Interesse von Investoren bereits jetzt vom Software- in den DeepTech und Hardwarebereich verlagert in Richtung von Unternehmen, die in der Lage sind, fortschrittliche Robotiklösungen anzubieten oder dafür bedeutsame Komponenten liefern. Dies unterstreicht die Notwendigkeit schneller, entschlossener Umsetzung in Europa und Deutschland – in der zivilen Wirtschaft, aber auch für den Verteidigungssektor.
In Friedenszeiten könnten und müssten Produktionskapazitäten auf die Herstellung ziviler Robotersysteme ausgerichtet werden – für Logistik, Pflege, Fertigung und andere Anwendungen. Im Verteidigungsfall könnten dieselben Anlagen schnell auf die Produktion militärischer Systeme umgestellt werden.
Deutschland verfügt über die dafür notwendige industrielle Basis: Es hat eine jahrzehntelange Expertise im Maschinenbau, in der Automatisierungstechnik und in der präzisen Fertigung. Diese Kompetenzen sind ideal und auch eine gute Ausgangsbasis, um weltweit führend in der Entwicklung und Produktion von Robotiksystemen zu werden.
Dual-Use als Schlüsselstrategie
Ein zentraler Ansatz für die zukünftige Industrie- und Verteidigungspolitik ist daher ein Dual-Use-Ansatz, der aus industriepolitischer Sicht weniger technologisch als strategisch zu verstehen ist. Historisch stammen viele bahnbrechende Innovationen aus dem militärischen Sektor und fanden später zivile Verbreitung – klassische Beispiele sind das Internet oder GPS, die durch staatliche (insbesondere militärische) Forschung und Entwicklung ermöglicht wurden. In diesen Beispielen hat sich der Dual Value staatlicher Innovationsförderung manifestiert.
Verteidigungsfähigkeiten werden gestärkt und wirtschaftliche Wertschöpfung generiert.
Moderne Dual-Use-Strategien zielen ebenfalls darauf ab, solche Synergien systematisch zu nutzen. So betont die EU-Kommission, dass Technologien mit dual-use potential möglichst zügig in beiden Bereichen – zivil und Verteidigung – zur Anwendung gebracht werden sollten, um wirtschaftliche Vorteile und Verteidigungsfähigkeiten gleichermaßen zu erlangen. Auch mit dem NATO-Programm DIANA, was für Defence Innovation Accelerator for the North Atlantic steht, soll beides erreicht werden.
Der Transfer ziviler Spitzenforschung (etwa zu KI oder neuartigen Materialien) in Start-ups mit Fokus auf den zivilen und den Verteidigungsmarkt kann Innovationszyklen verkürzen, Kosten senken, und erhöht die Resilienz: Wenn kritische Technologien in der zivilen Wirtschaft breit verfügbar sind, verringert sich die Abhängigkeit des Militärs von engen Rüstungslieferketten. Allerdings erfordert dies auch Koordination – insbesondere zwischen Wirtschafts- und Verteidigungsministerien – und klare Regeln, um Missbrauch zu verhindern.
Mit Dual-Use beabsichtigt Europa also seine industrielle Basis zu stärken, ohne rein militärische Konjunkturprogramme aufzulegen – eine klassische Win-Win-Situation, wenn sie richtig implementiert wird. Auch die USA und China setzen bereits seit Jahren konsequent auf zivil-militärische Innovationsverbünde.
Notwendigkeit smarter Produktionskapazitäten
Dual Use im Bereich der Entwicklung und Produktion von Robotiksystemen, setzt jedoch hochflexible und automatisierte Fabriken – „factories-as-a-service“ – voraus, die in der Lage sind, schnell zwischen Produktlinien zu wechseln. Neben der digitalen Dimension zeigt der Krieg in der Ukraine, dass flexible und dezentrale Produktionskapazitäten ein wichtiges Thema sind. Viele europäische Rüstungshersteller können Nachfragespitzen mangels agiler Fertigung kaum auffangen. Auch eine BCG-Analyse stellt fest, dass Europas Rüstungsindustrie oft wenig skalierbare Fertigungslinien hat. Benötigt werden „flexible Produktionslinien, die sich bei neuen Bedrohungen hochfahren lassen“.
Hier besteht also Aufholbedarf. Er betrifft Kernelemente von Industrie 4.0, wie Cyber-Physische Systeme, IoT, Künstliche Intelligenz und neue Fertigungsmethoden wie den Digitalen Zwilling und die Additive Fertigung (3D-Druck).
Digitale Zwillinge sind virtuelle Echtzeit-Abbilder eines Produkts, Prozesses oder Systems. Sie ermöglichen Analysen und Steuerungen, als säße man „im Inneren der Fabrik“ und sind mittlerweile in fast allen Industriebereichen von Bedeutung. Künftig werden sie noch wichtiger, wie Kagermann & Wahlster (2022) ausführen. Sie erlauben z. B. Fertigungsanlagen flexibel umzurüsten.
Additive Manufacturing ergänzt dieses Bild, indem es hochkomplexe Bauteile direkt aus digitalen Modellen „druckt“. 3D-Druck revolutioniert die Fertigung nicht nur durch die Möglichkeit, Formen herzustellen, die mit klassischen Methoden, wie Gießen oder Fräsen, nicht machbar sind. Dies eröffnet neue Designfreiheiten und erlaubt Mass Customization – die wirtschaftliche Produktion individuell angepasster Produkte. In Verbindung mit Industrie-4.0-Technologien ermöglicht der 3D-Druck zudem Echtzeit-Überwachung, vorausschauende Wartung und eine dezentrale Produktion nahe beim Kunden.
KI-gestützte Produktionssteuerung spielt in all dem eine zentrale Rolle: Durch Industrial AI lassen sich riesige Sensor-Datenströme aus der Fertigung auswerten, um etwa Null-Fehler-Produktion zu realisieren. Ein Beispiel ist die vorausschauende Qualitätskontrolle, bei der KI aus digitalen Zwillingen und Sensordaten potentielle Defekte erkennt, bevor sie auftreten.
Flexible Produktionsstrukturen sind das Ergebnis des Zusammenwirkens all dieser Technologien. Statt starrer Fertigungsstraßen entstehen modulare Fabriken, die sich schnell auf neue Produkte umrüsten lassen – ein entscheidender Vorteil in volatilen Märkten und für Dual Use Produktion. Die Idee der Rekonfigurierbarkeit von Produktionssystemen wurde bereits um die Jahrtausendwende als Ziel formuliert. Industrie 4.0-Technologien liefern nun die technischen Mittel, dies umzusetzen.
Kagermann & Wahlster (2022) stellen fest, dass sich Industrie 4.0 zwar global als Paradigma etabliert hat, die Umsetzung neben einem Mindset Shift noch massive Investitionen in industrielle KI und durchgängige digitale Vernetzung erfordert. Für den Umbau der deutschen Industrielandschaft und die Schaffung resilienter und wandlungsfähiger Wertschöpfungsnetzwerke wird die Kombination aus Digitalen Zwillingen, KI und flexibler Automatisierung jedenfalls weiter an Bedeutung gewinnen.
Flexible Plattformen im Verteidigungsbereich
In Verbindung mit der Forderung nach flexiblen Produktionskapazitäten stehen Plattformstrategien. Aufgrund der raschen Innovationszyklen und volatilen Bedrohungslagen müssen modulare Plattformen geschaffen werden, die über Software-Updates, austauschbare Komponenten und Sensorik kontinuierlich modernisiert werden können. Dieses Prinzip, ähnlich wie bei Tesla-Fahrzeugen, ermöglicht eine längere Nutzungsdauer von Systemen und reduziert gleichzeitig Kosten und Entwicklungszeiten. Weil Software-Funktionen, z.B. beim F-35-Kampfjet, maßgeblich die Leistungsfähigkeit von Waffensystemen bestimmen, spricht man von „software-defined defense“.
Software und KI werden immer mehr zu entscheidenden Enablern moderner Militärtechnik, die Multi Domain Operations und Informationsüberlegenheit ermöglichen. Multi-Domain Operations (MDO) bezeichnet die integrierte und simultane Nutzung verschiedener Einsatzbereiche – Land, Luft, See, Weltraum, Cyber und Elektromagnetisches Spektrum – zur schnellen, vernetzten und koordinierten Kriegsführung gegen hybride Bedrohungen.
Neue Bedrohungen durch Drohnen, Cyberangriffe oder kommerzielle Technologien (z. B. Abhängigkeit von Starlink-Satelliten) verkürzen die time-to-battlefield dramatisch. In immer kürzeren „OODA-Loops“ zeigt sich der rasche Wechsel zwischen Innovation und Obsoleszenz. OODA steht hier für Beobachten (Observe), Orientieren (Orient), Entscheiden (Decide) und Handeln (Act).
Die Verteidigungsbranche muss daher zugleich agiler innovieren und ihre Produktionsverfahren flexibilisieren. Gefordert sind etwa softwarezentrierte Architekturen, modulare Fabriken und eine enge Kooperation mit dem zivilen High-Tech-Sektor, um neueste Technologien schnell für militärische Zwecke nutzbar zu machen.
Doch die Verteidigungsindustrie steht hier vor Herausforderungen: Entwicklungsprozesse sind oft noch hardware-getrieben und bürokratisch, und agile Entwicklungsansätze (z. B. DevSecOps) werden erst erprobt.
Chance und Herausforderung: von der Automobilnation zum globalen Player in der Robotik
Deutschland hat jetzt einmalige Chance, durch Dual-Use-Strategien die Transformation seiner Industrie aktiv zu gestalten, indem es sich auf seine Stärken besinnt. Durch den Aufbau einer führenden Position in der Robotik und dem Advanced Manufacturing könnte das Land nicht nur seinen wirtschaftlichen Wohlstand sichern, sondern auch seine technologische Souveränität. Besonders die Kombination aus zivilen und militärischen Anwendungen – Dual Use – bietet einen Weg, die Produktion auszulasten und gleichzeitig flexibel auf zukünftige Anforderungen zu reagieren.
Gleichzeitig haben die COVID-19-Pandemie und die geopolitischen Spannungen Europas Verwundbarkeit durch externe Abhängigkeiten offengelegt. Technologische Souveränität bedeutet, dass ein Staat oder Staatenverbund die für Wohlstand und Sicherheit kritischen Technologien selbst bereitstellen kann – entweder durch eigene Entwicklung oder durch diversifizierte, verlässliche Bezugsquellen, sodass keine einseitige Abhängigkeit besteht.
Für Europa sind u.a. Batteriezellen, Halbleiter/Chips, Künstliche Intelligenz und Sensorik einige dieser kritischen Technologien. Mit der 2017 gestarteten Europäischen Batterie-Allianz und Milliardeninvestitionen sollten auch in Europa Gigafabriken entstehen (z.B. Northvolt, Verkor), um die Abhängigkeit von asiatischen Zulieferern zu verringern. Batterieproduktion wird explizit als vitaler Beitrag zur technologischen Souveränität Europas gesehen. Ähnlich im Halbleiterbereich: 2023 verabschiedete die EU den Chips Act, der Europas Anteil an der globalen Chipproduktion bis 2030 auf 20% verdoppeln und Lieferketten resilienter machen soll.
Allerdings zeigt sich sowohl bei Batterien als auch in der Halbleiterbranche, dass Europa derzeit eher noch weiter zurückfällt – Infineon ist z.B. das einzige europäische Unternehmen unter den 10 weltweit führenden Chipherstellern und verzeichnete von 2023 auf 2024 rückläufige Umsätze. Die wirtschaftliche Zukunft von Northvolt ist unklar. Im Bereich KI bemüht sich Europa ebenso um Eigenständigkeit – etwa durch Förderprogramme für „AI made in Europe“ und mit dem AI Act eine regulatorische Vorreiterrolle, die auch dazu dienen soll, europäische Werte und Standards durchzusetzen. Der Begriff „Open Strategic Autonomy“ fasst diese Bemühungen zusammen: offen im Handel, aber strategisch autonom bei kritischen Technologien und Materialien.
Um die genannten Herausforderungen zu bewältigen, sind also weitere proaktive industriepolitische Maßnahmen gefragt, die einer klaren Strategie folgen.
Staatliche und private Investitionen in Forschung und Entwicklung, aber auch in Startups im Bereich Robotik könnten die Grundlagen für zukünftige Innovationen schaffen. Wie die renommierte Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato in ihrem Werk The Entrepreneurial State (2013) herausarbeitet, war der Staat oft der „mutigste Investor“ hinter großen technologischen Durchbrüchen. Eine entschlossene Anschubfinanzierung in Robotik/KI – vor allem von neuen Marktteilnehmern – mobilisiert auch mehr privates Kapital.
Advanced-Manufacturing-Technologien müssen in Deutschland vorangetrieben werden, um sowohl zivile als auch militärische Anwendungen und „Factory-as-a-Service“-Lösungen zu ermöglichen. Die Politik sollte Unternehmen Anreize für den Aufbau flexibler Produktionskapazitäten bieten, etwa durch Abschreibungsbegünstigungen für Industrie-4.0-Anlagen oder Förderprogramme für „Plug-and-Produce“-Modulfabriken. Die Erfahrungen der letzten Jahre (z.B. Impfstoff-Produktion, Rüstungsgüter) haben gezeigt, dass eine schnell skalierbare Fertigung im Bedarfsfall essenziell ist.
Technologische Souveränität stärken: Deutschland muss einer technologischen Roadmap folgend in Schlüsseltechnologien wie Sensorik, Chips, Batterien und KI investieren, um unabhängiger von internationalen Lieferketten zu werden. Durch eine Abdeckung des kompletten Verticals der Robotik können Unternehmen besser steuern, Kosten optimieren und flexibler auf Marktveränderungen reagieren.
Zusammenarbeit zwischen den industriellen Zweigen: Die enge Verzahnung von zivilen Unternehmen und dem Verteidigungssektor könnte Synergien schaffen und neue Innovationsfelder erschließen. Innovationsnetzwerke, in denen Unternehmen verschiedener Branchen sowie Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen zusammenkommen, fördern den Wissenstransfer. Viele Zukunftslösungen liegen an den Schnittstellen – etwa zwischen Automobil- und Energiebranche (Batterietechnik), IT und Maschinenbau (Industrie 4.0), ziviler Sicherheitsforschung und Verteidigungsindustrie (Dual-Use). Solche Cluster können durch staatlichen Anschub unterstützt werden, z.B. auch durch Public Private Partnerships.
Die Qualifizierung bzw. das Upskilling von Fachkräften im Bereich Robotik und Automatisierung muss priorisiert werden, um den Wandel zu unterstützen. Ohne genügend qualifizierte Ingenieure, IT-Fachleute und Facharbeiter für neue Technologien droht die schönste Strategie zu scheitern. Deutschland kann hier auf sein duales Ausbildungssystem aufbauen, sollte dieses aber gezielt auf Zukunftsfelder ausrichten (Robotik-Mechatroniker, KI-Systemintegratoren etc.).
Dazu gehört auch, langfristige Leitprojekte zu definieren – z.B. einen nationalen Humanoid Robotic-Leuchtturm. Eine solche Transformation kann aber nur gelingen, wenn alle Akteure – Politik, Industrie, Verteidigung, Wissenschaft und Start-ups – an einem Strang ziehen und ein ineinandergreifendes Ökosystem mit europäischer Ausrichtung bilden.
Fazit: Eine neue industrielle Vision für Deutschland
Die Zukunft Deutschlands liegt in der Robotik. Dieser Industriezweig bietet die Möglichkeit, den Niedergang der Automobilindustrie zu kompensieren, den Verteidigungssektor zu modernisieren und technologische Souveränität zurückzugewinnen. Mit einer klaren Industriestrategie und Technologie-Roadmap sowie mutigen Entscheidungen von Politik und Unternehmen könnte Deutschland nicht nur die Herausforderungen der Gegenwart meistern, sondern (weiterhin) eine führende Rolle in der Weltwirtschaft der Zukunft einnehmen.
Dieses Ziel ist ehrgeizig, aber erreichbar.
„Ein guter Plan, der jetzt energisch ausgeführt wird, ist besser als ein perfekter Plan, der nächste Woche ausgeführt wird.“ General George S. Patton
Prof. Dr. Rafaela Kraus ist eine führende Expertin an der Schnittstelle von Unternehmertum, Verteidigungsinnovation und Dual-Use-Technologien. Als Vizepräsidentin hat sie bis Ende 2024 den Aufbau des Bereichs Entrepreneurship an der Universität der Bundeswehr vorangetrieben und die Gründungsplattform founders@unibw sowie den SpaceTech Accelerator SpaceFounders aufgebaut. Sie setzt sich für Deep-Tech-Startups und den Transfer akademischer Forschung in marktfähige Innovationen ein. Besonders am Herzen liegt ihr die Schaffung eines dynamischen Innovationsökosystems, das sowohl für den Sicherheitssektor als auch für kommerzielle Anwendungen von Bedeutung ist. Sie ist regelmäßig Speakerin beim Festival der Zukunft von 1E9 und Deutschem Museum.
Rafaela Kraus wird beim Festival der Zukunft 2025 neben vielen anderen Vordenkerinnen und Innovatoren als Speakerin dabei sein!

Rafaela Kraus
Gastautorin
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