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3. März 2025

Mit diesem Raumflugzeug von Polaris soll Europa SpaceX überholen


Das deutsche Start-up Polaris arbeitet an einem Raumflugzeug. Damit sollen künftig Fracht und Menschen kostengünstig in die Erdumlaufbahn gebracht werden. Außerdem wollen die Entwickler von Polaris damit Europa als Raumfahrtgröße etablieren. Das ist ehrgeizig, das weiß das kleine Team. Aber es hat bereits eine Antriebstechnologie gemeistert, an der zuvor einige der größten Luft- und Raumfahrtkonzerne gescheitert waren.

 

Von Michael Förtsch

 

Im Weltraum und vor allem in der Erdumlaufbahn herrscht immer mehr Betrieb. Allein SpaceX hat im Jahr 2024 nicht weniger als 134 Raketenstarts durchgeführt, um Satelliten und wissenschaftliche Experimente in den Orbit und Nachschub und Astronauten zur Internationalen Raumstation zu bringen. Chinesische staatliche und halbstaatliche Raumfahrtunternehmen verzeichneten 68 lift offs. Die Missionen kleinerer Launch Provider wie RocketLab und Firefly addieren sich immerhin auch schon zu einigen Dutzend erfolgreichen Starts. Diese Zahlen sollen in den nächsten Jahren noch deutlich steigen. Daher wachsen Zweifel, ob die klassischen Raketen – wie groß sie auch sein mögen – langfristig der boomenden Space Economy gewachsen sind. Ein Team, das nicht nur zweifelt, sondern auch eine Alternative vorschlägt, ist Polaris Raumflugzeuge aus Bremen.

 

„Wir glauben, dass horizontal startende Raumflugzeug die bessere Lösung für den Raumtransport der Zukunft sind“, sagt Alexander Kopp, Gründer des derzeit 38 Mitarbeiter starken Unternehmens. Der Ingenieur hat vor der Gründung 2019 rund zehn Jahre beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gearbeitet. Vor allem an neuen Möglichkeiten, „Dinge von der Erde in den Weltraum zu bringen“. Dabei entstand auch das Grundkonzept für das Raumflugzeug, das er nun mit seinen Mitstreitern bauen will. Denn: „Irgendwann habe ich gesagt: Okay, genug geforscht. Jetzt wird es Zeit, das umzusetzen“, scherzt Kopp. „Natürlich mit maximaler Naivität und zu wenig Geld. Ich habe erst mal jeden Cent verbrannt, den ich hatte – aber jetzt sind wir an einem guten Punkt“.



Das Raumflugzeug, das Kopp und seine Mistreiter planen, nennt sich Aurora. Es soll aussehen wie eine schwarze Pfeilspitze, etwa 28 Meter lang und fast genauso breit sein. Starten und landen soll es auf einer normalen Flughafenpiste. Zwischen 800 Kilogramm und einer Tonne Nutzlast soll das Raumfahrzeug in die Erdumlaufbahn transportieren können. Allerdings nicht ganz allein, sondern mit einer zusätzlichen Oberstufe, die in großer Höhe ausgesetzt wird, um die Nutzlast die letzten Kilometer in die Höhe zu hieven. Seit 2022 hat Polaris bereits mehrere Miniaturvarianten von Aurora gebaut und im Flug getestet, die die aerodynamischen Eigenschaften und die Technik des Prototyps vorwegnehmen. „Technisch sind wir überzeugt, dass es funktioniert und wir es schaffen können“, so Kopp weiter. „Die Frage ist eher, wie schnell wir die Finanzierung zusammenbekommen.“

 

Alte Idee neu gedacht

 

Raumflugzeuge sind keine sonderlich neue Idee, eigentlich eine ziemlich alte. Das gibt Alexander Kopp gerne zu. „Wir sind nicht die Ersten, die sich das ausgedacht haben“, sagt er. „Die Idee gibt es schon seit Jahrzehnten. Vor allem in Deutschland wurde schon früh daran gearbeitet.“ Der Luft- und Raumfahrtingenieur Eugen Sänger erdachte in den 1930er Jahren mit dem Silbervogel einen Bomber, der mit einem Raketenschlitten starten und mit Triebwerksschüben durch die Atmosphäre springen sollte. Später entwickelte er diese Idee zu einem Raumtransportsystem namens Sänger 2 weiter, das in den 1980er und 1990er Jahren viel Unterstützung fand, dann aber an fehlender politischer Unterstützung und der Frage nach der Notwendigkeit eines solchen Raumfahrzeugs scheiterte. Ähnlich erging es dem Raumtransporter Hopper, der einige Jahre später von EADS und DLR für die ESA entwickelt wurde.


Der Testflug von Mira 2 mit Aerospike-Triebwerk.

Laut Alexander Kopp ist die Situation heute eine andere. „Damals gab es vor allem keinen Markt für so etwas“, sagt er. „Damit sich die Entwicklung eines solchen Systems lohnt, braucht es ein gewisses Marktvolumen. Damals bestand der Markt darin, alle paar Monate einen geostationären Satelliten zu starten.“ Das habe sich dramatisch geändert, wie die wachsende Zahl kommerzieller Raketenstarts zeige. Heute habe ein Raumflugzeug eine Chance. Denn es könne auf Dauer schneller, zuverlässiger und nicht zuletzt kostengünstiger die Erdumlaufbahn erreichen. Innerhalb von 24 Stunden könne ein Start organisiert und ein Raumfahrzeug wie Aurora bis zu 200-mal wiederverwendet werden. Hinzu kommt das Interesse des Militärs an solchen Raumflugzeugen – für Zwecke wie das Aussetzen von Satelliten, Aufklärung aus großer Höhe und vielem mehr. Aus diesem Grund arbeitet Polaris seit geraumer Zeit mit der Bundeswehr zusammen.


 

Alexander Kopp war mehr als zehn Jahre beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Systemingenieur in der Gruppe Systemanalyse Trägerraketen tätig. Die Gruppe beschäftigt sich mit etablierten, aber auch neuen Möglichkeiten, in den Weltraum zu gelangen. Im Jahr 2019 gründete Kopp Polaris, um eine seiner Ideen umzusetzen: ein Raumflugzeug.

 

Aber auch die Technik hat sich weiterentwickelt. Aurora soll statt klassischer Raketentriebwerke so genannte lineare Aerospikes nutzen und damit bis zu Mach 10 erreichen. Bei einem solchen Antrieb werden die Verbrennungsgase statt in eine große Glocke durch viele kleine Brennkammern über eine keilförmige Düsenkontur geleitet und so gebündelt. Der Vorteil: Die Schubkraft lässt sich fein regeln und an den Luftdruck anpassen. Dadurch soll ein Aerospike bis zu 30 Prozent treibstoffeffizienter sein als ein vergleichbares Düsentriebwerk. Allerdings sind derartige Antriebe schwer umzusetzen. Seit den 1950er Jahren forschten die NASA und Firmen wie Rocketdyne, Lockheed Martin und andere an Aerospike-Triebwerken. Kein Flugzeug ist je damit geflogen. Bis zum Oktober 2024.

 

Im vergangenen Jahr startete der Polaris-Demonstrator Mira-II auf dem Flughafen Peenemünde als weltweit erstes Fluggerät mit einem Aerospike-Triebwerk. „Die größte Herausforderung war immer die Kühlung des Triebwerks“, sagt Kopp. Diese sei in der Vergangenheit aufgrund der Bauweise äußerst schwierig gewesen. „Aber da kann man heute mit 3D-Druck und neuen Materialien vieles lösen, was früher nicht möglich war“, sagt er. Keramische Werkstoffe sorgen für eine effiziente Wärmeableitung und im 3D-Druck lassen sich Kühlkanalgeometrien realisieren, „die mit konventionellen Fertigungsverfahren nicht machbar sind“. Das Triebwerk sei noch nicht perfekt, aber ein unwiderlegbarer Machbarkeitsbeweis.

 

Für Europa!

 

Derzeit arbeitet Polaris mit Nova am letzten und abschließenden Demonstrator. Das acht Meter lange und bis zu zwei Tonnen schwere Fluggerät soll Ende dieses Jahres abheben. Parallel dazu soll dann bereits die Arbeit am Prototyp von Aurora im Maßstab eins zu eins beginnen. „Den wollen wir tatsächlich 2028 auf der Startbahn haben“, sagt Kopp zuversichtlich. Wenn bei den anstehenden Tests, der Weiterentwicklung der Triebwerke, den Zertifizierungs- und Finanzierungsprozessen alles nach Plan läuft und keine völlig unerwarteten Herausforderungen auftreten, könne schon 2030 der Nachfolger von Aurora folgen: das Future Heavy Spaceplane.


Das ist das Aerospike-Triebwerk, das Polaris entwickelt und in seinem Demonstrator eingesetzt hat.
Das ist das Aerospike-Triebwerk, das Polaris entwickelt und in seinem Demonstrator eingesetzt hat.

Das Großraum-Raumflugzeug soll mit mindestens 60 Metern die Ausmaße einer Boeing 747-400 haben, deutlich laststärker sein und anstatt von Fracht auch 20 bis 50 Passagiere ins All befördern können. „Mit dem Heavy Space Plane wollen wir eigentlich so etwas wie einen Linienverkehr ins All und zurück etablieren“, sagt Kopp. „Also den Transport von Passagieren und Nutzlast zu Raumstationen und zurück.“ Denn das soll durch sinkende Kosten vergleichsweise erschwinglich werden. Anders als der Vorgänger soll es ohne zusätzliche Raketenstufe abheben. Stattdessen soll hier eine andere, aber noch nicht spruchreife Starthilfe zum Einsatz kommen. Irgendwann soll aber auch die nicht mehr nötig sein.


 

Die Konkurrenz

Polaris Raumflugzeuge steht mit seiner Vision nicht alleine da. Auch andere Start-ups auf arbeiten an ähnlichen, aber eigenständigen Raumflugzeug-Ideen. Darunter Dawn Aerospace aus den Niederlanden und Neuseeland, deren Raumflugzeug allerdings nicht mit Düsentriebwerken, sondern mit Raketentriebwerken starten soll. Erste Demonstratoren sind schon erfolgreich geflogen. Die US-Firma Radian Aerospace verspricht ein Raumflugzeug, das von einem Raketenschlitten auf der Erde beschleunigt ins All starten soll und damit ohne zusätzliche Booster auskommt. Ein erster Miniatur-Prototyp ist bereits gebaut, aber noch nicht geflogen.

 

Um das Zwei-, Drei-, vielleicht sogar Vierfache wollen die deutschen Entwickler mit ihren Raumflugzeugen die Kilopreise pro Flug in den Orbit heutiger Raketenstartanbieter unterbieten. Mit dem Großraum-Raumflugzeug sollen die aktuellen Preise sogar um das Zehnfache unterboten werden. Dass das alles ziemlich fantastisch und ambitioniert klingt, dessen ist sich Alexander Kopp durchaus bewusst. Aber er versichert nicht nur, dass die Technik funktioniert und Polaris einige der besten Luft- und Raumfahrtingenieure Europas vereint, sondern auch, dass es bereits viel Interesse und Zuspruch von potentiellen Kunden gebe. Inzwischen hätten viele erkannt, dass es ein solches Projekt in Europa einfach brauche.

 

„Ich glaube, jeder kann sehen, dass wir bei der Raumfahrt mittlerweile ziemlich von den USA abgehängt worden sind“, sagt Kopp. „Viele in Europa aus den Raumfahrtkreisen versuchen jetzt aufzuholen, in dem sie SpaceX-ähnliche Ansätze verfolgen, mit wiederverwendbaren Raketen.“ Aber das sei der falsche Weg, glaubt Kopp, oder zumindest nicht der cleverste Weg. Denn der Vorsprung der USA bei der Raketenentwicklung sei nicht aufzuholen. „Das heißt, wenn wir im Wettbewerb bestehen wollen, uns vielleicht sogar an die Spitze setzen wollen, müssen wir die Raketen überspringen“, bestärkt er. „Wir müssen direkt neue, bessere Konzepte umsetzen. Keine Raketen, sondern Raumflugzeuge. Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg.“


Bildmaterial: © Polaris Raumflugzeuge

 

Michael Förtsch

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Kommentare (4)

Hermann Auer
vor 4 Tagen

Zitat: "Keine Raketen, sondern Raumflugzeuge. Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg." Finde ich auch: Wiederverwendbarkeit wegen einfacherer Landemöglichkeit (gab es ja auch schon mit dem Space Shuttle). Das spart enorm Kosten. Und die Steigerung der Wirksamkeit des Antriebs durch neue Technologien erhöht die Nutzlast, weil weniger Treibstoff mitgeschleppt werden muss. Was haben wir doch mit LH2 und LOX und kryogenen Temperaturen herumgebastelt!

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Viel Glück! Ich denke um die Amerikaner zu schlagen muss noch größer gedacht werden. Trägerraketen entwickeln sich in Richtung vollständiger Wiederverwendbarkeit. Das wiederrum ist nur möglich mit riesigen Raketen/Raumflugzeugen.

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Atzler
vor 4 Tagen

Das was von SpaceX als großer Fortschritt verkauft wird, ist einfach lächerlich. Die Raketen starten und die Kapseln landen wie zu Zeiten von Wernher von Braun mit dem Gemini- oder Apollo- Programm. Ein wirklicher Fortschritt war das Space Shuttle, leider durch die politische Administration der USA verkannt und nicht konsequent weiterentwickelt.

Die Zukunft liegt in horizontal start- und landungsfähigen Raumfahrzeugen. Mit Sänger 2 war Europa schon ziemlich weit in der Vorentwicklung gekommen, allerdings wurde auch hier von der Politik das Potenzial nicht erkannt. Projekte und Unternehmen wie Polaris können nur dann signifikant vorankommen, wenn die öffentliche Hand als ein nationales oder besser noch europäisches Konsortium ohne Wenn und Aber dahintersteht. Die alleinige Finanzierung über Investroren aus dem Kapitalmarkt ist zu volatil und sprunghaft, so können auch Ideen mit großem Potenzial am Ende scheitern.

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01 mars

Finde es fantastisch, dass es derartige Projekte in Deutschland gibt und die offenbar auch von staatlicher Seite unterstützt werden, zB von der Bundeswehr, wie man hier liest.


Zuletzt hat glaube ich Wernher von Braun in Peenemünde an Raketentechnik gearbeitet (damals die V2 Großrakete) und seither ist es wohl eher ein Ort der Erinnerung. Now that - Zeitenwende in Echt!


Halte es auch für wichtig in neuartige Konzepte, die bisher noch keiner in die Realisierung gebracht hat zu arbeiten wie Alexander Kopp auch sagt. Wobei es vermutlich aber nicht wirklich darum geht besser als SpaceX zu sein, sondern überhaupt als Europa souverän im Zugang zum All zu werden. Im Moment haben wir hier ja leider wenig gutes anzubieten und das wenige das es gibt (Ariane) scheint von US Unternehmen über lange Zeit ausgebucht zu sein...


Wäre coll mehr über die Aerospike Engine zu erfahren und warum es bisher keiner wirklich geschafft hat so ein Projekt umzusetzen. Es scheint ja überaus viel Sinn zu machen, insbesondere heute wo wir wissen dass "responsive space access" eine kritische capability ist und die Ökonomisierung des Alls sich beschleunigt, getrieben vom geopolitischen Wettkampf aber auch den Vorlieben der US tech bros....



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