11. März 2025
Der milliardenschwere Investor hinter dem KI-Boom: Wer ist eigentlich Masayoshi Son?

Er ist seit Jahren einer der einflussreichsten Investoren in der Technologiebranche, besaß einst geschätzte 25 Prozent des Internets, lenkt den SoftBank-Konzern und war kurzzeitig der reichste Mensch der Welt. Wirklich bekannt wurde er aber erst vor kurzem, als er neben Sam Altman, Larry Ellison und Donald Trump im Weißen Haus stand und Milliardeninvestitionen in Künstliche Intelligenz ankündigte. Wer ist dieser Masayoshi Son?
Von Michael Förtsch
Es war lange Zeit Japan, in dem die Zukunft einen Schritt voraus schien. Immer wieder waren es Szenen aus der Inselnation, die den Rest der Welt zum Staunen brachten. Schon Jahrzehnte bevor in der westlichen Welt der Hype um humanoide Roboter begann, lief ASIMO die ersten Treppen hinauf und hinunter, und Ri-Man, Robear und Co. halfen der alternden Gesellschaft, im Alltag selbstständig zu bleiben. Bei der aktuellen technologischen Revolution scheint Japan allerdings irgendwie abgehängt: bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz. Denn die scheint vor allem im Silicon Valley und China zu entstehen. Und doch hat Japan massiven Einfluss auf KI. Das liegt vor allem an einem Mann, der sich selbst, sein Unternehmen und damit den Rest der Nation als prägende Kraft der Zukunft etablieren will – und von dem viele trotzdem noch nie gehört haben: Masayoshi Son.
Weltweit im Rampenlicht stand Masayoshi Son erstmals in diesem Jahr. Bei einem Pressetermin posierte er neben Oracle-Chef Larry Ellison und OpenAI-CEO Sam Altman, als Donald Trump das Project Stargate ankündigte. Bis zu 500 Milliarden Dollar sollen dabei in den kommenden Jahren in den Bau von hochmodernen Rechenzentren in den USA fließen, um die Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz zu beschleunigen. Masayoshi Son selbst will einen beträchtlichen Teil dieser Summe beisteuern. Nebenbei will er bis zu 40 Milliarden Dollar in OpenAI investieren – mehr als selbst Microsoft bisher. Die Mittel dazu hat er. Denn Masayoshi Son ist Gründer, Chef und Großaktionär der japanischen SoftBank Group, die in den Bereichen Telekommunikation, E-Commerce, Finanzdienstleistungen, Robotik und Halbleiterherstellung tätig ist.
Das allein macht SoftBank schon zu einem einflussreichen Unternehmen. Was den Mischkonzern aber besonders macht, ist die Tatsache, dass er den mit 134 Milliarden US-Dollar größten Technologie-Investmentfonds der Welt verwaltet. Das ist mehr als der Haushalt manches Staates. In welche Unternehmen der SoftBank Vision Fund aus seinen beiden Geldtöpfen namens Vision Fund 1 und Vision Fund 2 investiert, entscheidet neben einer kleinen Gruppe von versierten Experten vor allem Masayoshi Son selbst. Das hat den Japaner seit der Gründung des Fonds im Jahr 2017 zu einer der einflussreichsten und mächtigsten Figuren der Technologiebranche gemacht. Denn er bestimmt dadurch seit Jahren mit, welche Unternehmen den finanziellen Spielraum bekommen, um wagemutige oder sogar verrückte Ideen umzusetzen. Dabei waren seine Anfänge ziemlich bescheiden.
Bescheidene Anfänge
Masayoshi Son kommt 1957 als zweiter von vier Söhnen koreanischer Einwanderer in Tosu auf der Insel Kyūshū zur Welt. Die damals 40.000 Einwohner zählende Industriestadt entwickelt sich als Knotenpunkt mehrerer Eisenbahnlinien zu einem wichtigen Umschlagplatz für Güter aller Art. Viele Immigranten arbeiten im Güterverkehr und leben, wie die Familie von Masayoshi Son, in illegalen, aber geduldeten Bretter- und Wellblechbuden auf dem Bahngelände, wo sie sich zusätzlich mit der Zucht von Hühnern, Schweinen und Schafen über Wasser halten. Der Sons Vater ist jedoch ambitioniert und schafft es, mit einer illegalen Destille für Sake zu bescheidenem Wohlstand zu kommen.
Mit 16 Jahren ergreift Masayoshi Son die Chance, bei Verwandten in den USA zu leben, an einer Highschool zu lernen und dann an der University of California in Berkeley zu studieren. Er will dadurch seinem Idol Sakamoto Ryōma nacheifern, einem Samurai, der als Wegbereiter der Modernisierung Japans gilt – wofür japanische Kinder zum Studium ins Ausland geschickt und ausländische Experten nach Japan geholt wurden. Die Eltern von Son missbilligten die Entscheidung ihres Sohnes zunächst, der in den USA Studiengänge in Wirtschaft und Informatik belegt.
Während seiner Studienzeit hat der technisch begabte Japaner seinen ersten finanziellen Erfolg. Er entwickelt mit der Hilfe seiner Professoren einen kleinen Übersetzungsapparat, dessen Patent und Konstruktion er 1979 für 1,7 Millionen US-Dollar an die Sharp Corporation verkauft. Später beginnt er die Kontakte in seine Heimat zu nutzen, um Videospielautomaten wie Space Invaders in die USA zu importieren, die er an Kneipen, Studentenheime und die aufkommenden Arcade-Hallen in und um Berkley vermietet.
Kurz vor seinem Abschluss gründet er mit einem Mitstudenten das Software-Start-up Unison World, das unter anderem Videospiele wie Flappy von DB Soft für den amerikanischen Markt und auf neue Plattformen portiert. Damit ist Son recht erfolgreich, aber entschließt sich trotzdem nach Japan zurückzukehren. „Ich verkaufte meinen Anteil am Unternehmen für zwei Millionen Dollar an meinen Kollegen“, sagte Masayoshi Son im Interview mit Hardvard Business Review. Später wird Unison vom Elektronikkonzern Kyocera erworben. Daraus entwickelt sich über die folgenden Jahre die Niederlassung von Kyocera Electronics in den USA. „Ein Geschäft“, wie Son sagt, „von dem ich nichts hatte.“
Aufstieg in Japan
Zurück in Japan nutzt Masayoshi Son sein Vermögen, um 1981 die Firma SoftBank zu gründen. Mit ihr will er Computersoftware entwickeln, lizenzieren und vertreiben – eine von 80 Geschäftsideen, über denen er wochenlang gebrütet hat. Der damals 24-jährige Unternehmer ist überzeugt, dass Computer die nächste industrielle Revolution darstellen und die Welt grundlegend verändern werden. Masayoshi Son will hierbei einer der Marktführer werden – erst in Japan, dann weltweit. SoftBank startet mit zwei erfahrenen Entwicklern. Doch beide kündigen abrupt, da sie Son und seine Ambitionen für verrückt halten – so erinnert sich der Japaner zumindest selbst.
Dennoch wächst SoftBank im sich digitalisierenden Japan schnell. Das Unternehmen vertreibt Buchhaltungs-, Büro- und Unterhaltungssoftware über Computerläden und per Postversand. Mit Oh! PC und Oh! MZ gibt es Magazine heraus, die über die neuesten Entwicklungen insbesondere bei NEC- und Sharp-Computern und später auch bei Sega-Videospielkonsolen informieren. Mitte der 1990er Jahre ist SoftBank bereits eines der größten Software- und Verlagsunternehmen Japans und geht an die Börse. Wenig später gründet Masayoshi Son einen Investmentarm für SoftBank, um gezielt in andere Unternehmen zu investieren, die er für aussichtsreich erachtet. Zunächst mit einem Bankkredit, später mit Geld, das SoftBank bei willigen Investoren einsammelt.
Die Investment-Tochter SoftBank Capital investiert in das Computerunternehmen Novell, den Speicherhersteller Kingston und zahlreiche Unternehmen des Dotcom-Booms. Innerhalb weniger Jahre schwillt der Wert von SoftBank durch den Hype um die so genannte New Economy auf über 140 Milliarden US-Dollar an. Allein das 100-Millionen-Dollar-Investment in Yahoo!, mit dem SoftBank auch gemeinsam das Joint Venture Yahoo! Japan startet, ist in der Spitze über 30 Milliarden wert. Ende 1999 und Anfang 2000 klettert Masayoshi Son – oder Masa, wie ihn seine Freunde nennen – auf der Liste der reichsten Menschen immer weiter nach oben, für einige Tage steht er sogar an der Spitze. Einige spekulieren, dass Masayoshi Son bis zum anrückenden Millennium wohl bis zu „25 Prozent des Internet“ gehören.
Doch dann kommt der Crash. Im März 2000 platzt die Internet-Blase. Viele der gefeierten Internet- und Technologieunternehmen erweisen sich als überbewertet und können die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Sie verlieren rapide an Wert, Investoren ziehen sich zurück, Banken verlängern ihre Kredite nicht mehr, in einer Kettenreaktion kollabiert der „Neue Markt“, wie das entsprechende Börsensegment in Deutschland genannt wird.
Innerhalb weniger Wochen, teils sogar nur Tagen, stürzen die Aktien vieler Unternehmen in den Keller. Einst milliardenschwere Unternehmen sind plötzlich nur noch so viel wert wie die Computer und Möbel in den gemieteten Büros. Damit fällt auch der Wert der Investitionen von SoftBank – und von SoftBank selbst. In den ersten Wochen des Dotcom-Crashs werden 93 Prozent des Unternehmenswertes ausgelöscht. Masayoshi Son selbst verliert über 70 Milliarden US-Dollar seines damals auf rund 78 Milliarden US-Dollar geschätzten Vermögens.
Viel Gewinn, viel Verlust
Seit dem Blutbad des Dotcom-Crashs tätigt Masayoshi Son trotzdem immer wieder riskante Investitionen – und kann sein Vermögen und SoftBank wiederaufbauen. Er kauft und restrukturiert das strauchelnde Japan-Geschäft von Vodafone, das SoftBank über Jahre zum drittgrößten Mobilfunkanbieter des Landes macht. Im Jahr 2000 kauft er für wenige Millionen einige Anteile an einer chinesischen Firma namens Alibaba, die heute zu den größten Tech- und Handelsunternehmen der Welt gehört. Im Jahr 2016 übernimmt er mit SoftBank für fast 30 Milliarden US-Dollar den britischen Chip-Hersteller ARM, der seinen Wert seitdem fast verfünffacht hat.
Immer wieder verliert er aber auch unvorstellbare Summen oder verpasst Erfolge. Vor allem mit seinem Vision Fund, an dem Apple, Sharp, Oracle-Gründer Larry Ellison, Foxconn und der saudi-arabische Public Investment Fund beteiligt sind. Der Vision Fund hält etwa knapp fünf Prozent an Nvidia, aber verkauft diese Anteile kurz vor dem KI-Boom, der ihren Wert auf 150 Milliarden katapultiert hätte. Der Vision Fund setzt auf den deutschen Zahlungsdienstleister Wirecard, der mit gefälschten Umsatzdaten operiert, einen Rechtskandal auslöst und 2020 spektakulär zusammenbricht. SoftBank ist auch an der Kryptobörse FTX beteiligt, deren Gründer Sam Bankman-Fried heute wegen Veruntreuung von Kundengeldern im Gefängnis sitzt.
Doch der spektakulärste Fehlschlag ist wohl die 24,4-Milliarden-US-Dollar-Wette von Masayoshi Son auf den Co-Working-Space-Anbieter WeWork dessen Wert zu seinen Hochzeiten auf 47 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, aber nach wachsender Skepsis an der Geschäftsführung, einem mehrfach verschobenen Börsengang und Kritik an Gründer Adam Neumann Ende 2023 Insolvenz anmelden muss. „Ich habe wirklich sehr geweint“, hat Son über die Zeit nach dem Zusammenbruch gesagt, der ihn in eine Sinnkrise gestürzt habe. „Das ist nicht das, was ich wollte.“
Der heute als Autor und Finanzberater tätige Alok Sama, der für mehrere Jahre als Finanzvorstand der SoftBank Group arbeitet, bezeichnet Masayoshi Son als „visionäres Genie“. Jedoch lasse sich der Japaner „von seinen alten Erfolgen blenden“ und zeige „die älteste Sünde der Welt, Hybris“, wie er kritisiert. Masayoshi Son verlasse sich bei seinen Investitionen weniger auf Zahlen und Fakten, sondern sein eigenes Bauchgefühl. Er sei überzeugt, das Potential einer Firma in den Augen der Gründer zu erkennen. Einigen gilt der Japaner dadurch gleichzeitig als einer der erfolgreichsten und unglücklichsten Investoren aller Zeit – anderen als Zocker, der einfach nur Glück hatte.
Geburtshelfer der AGI?
Nach der gescheiterten Wette auf WeWork sieht es so aus, als wolle sich Masayoshi Son langsam aus dem Investmentgeschäft zurückziehen und auch SoftBank mehr einem Managementteam überlassen. Doch dann kommt die Künstliche Intelligenz. Vor allem der Erfolg von ChatGPT und die rasanten Fortschritte in der Bild-, Video- und Audio-KI beflügeln den heute 67-jährigen Japaner. Auch mit Blick auf seine Heimat Japan, die bei der Entwicklung bislang keine Rolle zu spielen scheint. Aber mit SoftBank als Anker könne sein Land zu einem Einfluss- und Machtzentrum dieser nächsten Ära technologischer, vielleicht sogar zivilisatorischer Innovation werden. Dafür ist er bereit, weitere Milliarden aufzubringen und zu investieren.
Erst im Februar verkünden SoftBank und OpenAI ein Joint Venture namens SB OpenAI Japan, das vor allem Künstliche Intelligenz für die Wirtschaft und Industrie unter dem Titel Cristal Intelligence entwickeln und vermarkten soll. „Japan First“ lautet das Motto. Denn Masayoshi Son ist überzeugt, dass die KI-Technologie jeden denkbaren Bereich des Geschäftslebens nachhaltig verändern wird – und noch viel mehr. Er sieht die Menschheit auf dem Weg zu digitalen Denkmaschinen, die intelligenter sind als ein Mensch. Sie würden zu Helfern der Menschheit, die Krankheiten, Hunger, Umweltzerstörung und Kriege beenden. Und dabei soll Japan als Pionier vorangehen.
„Es mag seltsam klingen, aber ich glaube, ich wurde geboren, um künstliche Superintelligenz zu schaffen“, sagte Masayoshi Son im vergangenen Jahr. In den nächsten zehn Jahren, so glaubt er, könnte es soweit sein. Seine Investitionen in OpenAI und das Stargate-Projekt sollen dabei eine Rolle spielen. Genauso wie der britische Chiphersteller ARM. Der arbeitet derzeit mit Hochdruck an modernen KI-Chips, die Künstliche Intelligenz allgegenwärtig und vor allem energieeffizient nutzbar machen sollen. Noch viel mehr soll folgen, wofür Masayoshi Son noch mehr Geld auftreiben will – mit Krediten und Schulden, wenn nötig. Denn: „Wenn mehr besser ist, sollten wir eine Menge tun.“

Michael Förtsch
Leitender Redakteur
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